Julia Extra Band 348
ab. „Wie bist du denn in diesem Aufzug an den Wachleuten vorbeigekommen? Hast du dich als Star verkleidet oder so?“
„Oder so“, seufzte sie, nahm die Sonnenbrille ab und befreite sich von dem Tuch.
Er riss die Augen auf. „Um Gottes Willen! Du bist ja ganz …“
„Sag es nicht“, warnte sie ihn. Allerdings klang es eher wie ein Flehen.
Doch Simon konnte es wohl nicht lassen, das Offensichtliche auszusprechen. „Du bist orange.“
Am liebsten hätte sie angefangen zu heulen. In der Umkleidekabine des Bräunungsstudios hatte sie das auch schon getan. Doch das hatte nicht viel geändert – nur waren jetzt auch noch ihre Augen rot und geschwollen. Und die bissen sich nun mit ihrer neuen Hautfarbe.
Simon warf die nassen Servietten in den Papierkorb. „Erzählst du mir, wie das passiert ist?“
„Ich war in einem Bräunungsstudio. Frannie meinte …“
„Warum hörst du auf sie?“
Sie ignorierte seine Frage und fuhr fort. „Frannie meinte, ich solle es mal mit Sprühbräune ausprobieren und hat mir ein Studio empfohlen, in das sie immer geht. Na ja, heute hatten sie viel zu tun. Eins von diesen Sprühdingern war kaputt und eine Mitarbeiterin war krank. Also ist eine Neue, die normalerweise am Empfang arbeitet, für sie eingesprungen.“ Sie bemühte sich zu lächeln. Ihre neue Hautfarbe ließ ihre gebleichten Zähne noch mehr strahlen. „Das einzig Gute daran ist, dass ich nicht dafür bezahlen musste.“
„Das wäre ja noch schöner.“
„Sieht es so schrecklich aus, wie ich befürchte?“
„Nein“, sagte er und schüttelte heftig den Kopf. „Aber das Licht hier drin ist komisch. Es macht alles ein bisschen orange.“
Zwar log er, und das obendrein schlecht, aber sie liebte ihn dafür. Sie ließ sich auf einen der Sessel fallen, die vor seinem Schreibtisch standen. „Ich wollte nur ein wenig Farbe bekommen, damit ich nicht mehr so blass wie ein Fischbauch bin und man meine Sommersprossen nicht mehr so sieht.“
„Deinen Hautton bezeichnet man als Alabaster. Und ich mag deine Sommersprossen.“
Seufzend schloss sie die Augen. „Momentan sind meine Sommersprossen nicht mein größtes Problem.“
„Wie ist das denn nun eigentlich genau passiert?“ Er nahm sein Sandwich.
„Also, diese Neue im Bräunungsstudio konnte offenbar nicht lesen und …“ Mit einem genervten Schrei ließ Chloe den Kopf nach hinten fallen und musterte die Deckentäfelung. „Warum hat sich das Universum gegen mich verschworen?“
Simon versuchte gar nicht erst, ihre Frage zu beantworten. Stattdessen fragte er: „Es ist Sprühbräune, richtig?“
Zur Antwort gab sie nur einen Brummlaut von sich.
„Dann ist es rechtzeitig weg. Das Klassentreffen ist erst in drei Wochen.“
„In zwei Wochen und vier Tagen“, korrigierte sie ihn und setzte sich wieder aufrecht hin.
„Das ist eine Menge Zeit.“
„Meinst du wirklich?“
„Ich weiß es. Bis dahin ist deine Haut wieder alabasterfarben.“
„Alabaster. Klingt schon besser als weiß wie ein Fischbauch.“
„Deine Haut ist wunderschön, Chloe. Und, wie ich neulich festgestellt habe, unglaublich weich.“
Sie erstarrte. Gleichzeitig begann ihr Puls wie verrückt zu rasen. Seit jenem Abend hatte sie die Szene in der Küche immer wieder Revue passieren lassen und sich gefragt, was wohl passiert wäre, wenn sie geblieben wäre. Und sie hatte sich gewünscht …
Plötzlich merkte sie, dass sie ihn anstarrte. Auch er sah sie mit unergründlichem Blick an. Das war sonderbar. Denn da sie ihn schon so lange kannte, konnte sie normalerweise in seinem Gesicht lesen wie in einem Buch. Wenn er jetzt ein Buch war, dann eines, das nur Hieroglyphen enthielt.
„Was denkst du, Simon?“
Warum fragte sie ihn das? Natürlich war sie neugierig, aber es gab gute Gründe dafür, keine derartigen Fragen zu stellen.
„Was ich denke?“
Das war die Gelegenheit, einen Rückzieher zu machen. Aber wollte sie das? „Ja, an was denkst du gerade?“
Er legte das, was von seinem Sandwich übrig war, auf den Tisch und wischte seine Hände an einer Serviette ab. „An etwas, an das ich schon eine ganze Zeit lang denke.“
Na, diese Antwort war nicht gerade hilfreich. Das konnte Baseball sein oder die Arbeit oder – und dafür würde sie ihn umbringen – die schöne Neue am Empfang, die Chloe gesehen hatte, als sie zum Aufzug gerannt war.
Lass es, sagte sie sich. Doch sie fragte: „Hat es etwas mit mir zu tun?“
Um Himmels willen! Wie konnte sie nur? Aber nun
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