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Jussifs Gesichter

Jussifs Gesichter

Titel: Jussifs Gesichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Najem Wali
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es eine Gruppe von Sitzenden, die mit dem Rücken an der Wand lehnten und die Beine ausstreckten, und eine Gruppe, in der sich die Männer im Schneidersitz niedergehockt hatten und ebenfalls an der Wand Halt suchten. Die letzte Gruppe war Jussif am nächsten, er starrte sie an. Da vernahm er, wie jemand leise nach ihm rief. Es war der letzte im Schneidersitz hockende Mann.
    »Setzen Sie sich doch!«, rief er mit schwacher, heiserer Stimme.
    Jussif schaute den Mann an. Er war noch jung, erst Ende zwanzig. Sein Gesicht war blass, und trotz der langen Haare konnte Jussif sehen, dass seine Ohrmuscheln abgeschnitten waren.
    »Haben Sie Zeit mitgebracht? Hier können Sie tagelang warten, nicht wie im Irrenhaus«, hörte Jussif ihn sagen, während er sich mit überkreuzten Beinen neben dem Mann niederließ.
    »Haben Sie noch die Zigaretten, die Sie damals immer rauchten?«
    Jussif schüttelte entschuldigend den Kopf und tat so, als obdie Worte des Ohrlosen ihn nicht erreichten, der ihn zu kennen schien.
    »So ist es besser. Das Rauchen schadet der Gesundheit. Dieser Tage muss man auf seine Gesundheit Acht geben.«
    Jussif wusste nicht, ob der Mann scherzte oder es ernst meinte. Doch ein dicker blasser Mann, der im Schneidersitz neben dem anderen hockte und eine seltsame, mit einer Zigarette oder etwas Ähnlichem eingebrannte Tätowierung auf der Stirn trug, schaltete sich in das Gespräch ein.
    »Das habe ich auch immer zu den Soldaten in meinem Bataillon gesagt. Ihr sollt nicht rauchen! Der Feind erkennt eure Stellungen durch eure glühenden Kippen. Aber sie waren dumm, haben mir nicht zugehört und fielen alle auf dem Schlachtfeld. Umsonst, ein Strahl Pisse im Meer! Ihr Tod war Verrat.«
    »Ich bitte Sie. Vergessen Sie diesen Verrat. Jetzt müssen wir warnen. Alle Welt kennt Ihre Krankheit. Seit Sie ins Irrenhaus eingeliefert wurden, wollen Sie nicht vergessen!«, antwortete der junge Mann.
    Der Dicke erwiderte missbilligend: »Diese Worte enthalten ein schwerwiegendes Problem. Man behauptet, meine Krankheit äußere sich darin, nicht vergessen zu können. Aber denken Sie doch mal an sich selbst, vor allem da wir gerade aus dem Krankenhaus kommen. Wenn der Mensch etwas vergisst, setzt das voraus, dass er erst einmal daran denkt, sich daran erinnert. Es ist wie mit der Henne und dem Ei des Kolumbus: Was war zuerst da? Für einen Militär wie mich, der eine Niederlage nicht verwinden kann, wiegt diese Frage schwerer als die nach der Niederlage.«
    Er begann zu weinen wie ein Kind und packte Jussif am Arm. »Schau mich an!«, rief er und deutete mit dem Kinn auf eine seiner Schultern, wo zwei Sterne und eine Krone auf den Achselklappen seines verschlissenen Militärhemdes hingen.Während er aufstand, fügte er hinzu: »Obwohl wir einander, wie ich glaube, seit langem kennen, stelle ich mich Ihnen vor: Mutlak ’Abdallah Kraidi al-Dschaburi, Kommandeur des ersten Bataillons der zweiten Infanteriedivision.«
    Er nahm Grundstellung ein und ließ sich dann wieder auf seinen Platz sinken. Alles geschah sehr schnell, als befände er sich mitten im Lärm der Rat suchenden Menge auf einer Theaterbühne. Einen Augenblick lang fragte sich Jussif, ob es diese beiden gewesen waren, die ihn bis hierhin verfolgt hatten. Die Art und Weise, wie sie mit ihm sprachen, wie sie ihn riefen, ließ vermuten, dass sie ihn schon lange kannten. Und ihr Gespräch drehte sich um das Vergessen! Woher wussten sie, dass auch er vom Vergessen besessen war? Jussif fühlte sich wie jemand, der umzingelt wird, und wusste weder ein noch aus.
    Der Mann, der angeblich Bataillonskommandeur war, sagte plötzlich: »Dies sind meine Soldaten – Soldaten des ersten Bataillons der zweiten Infanteriedivision. Wir sind hier eingesetzt, weil der Krieg für uns noch nicht zu Ende ist. Er brach für uns zu früh aus, sechzehn Tage vor der offiziellen Kriegserklärung. Und er ist mit dem Fall unserer geliebten Hauptstadt noch nicht zu Ende. Für uns darf er noch viele Jahre andauern. Seit jenem Tag, als unsere weise Führung uns von der Front bei Kirkuk abgezogen hat und wir nach Bagdad verlegen mussten, suchen wir den Feind, auf den wir bis heute nicht gestoßen sind. Wir sind, von Sandstürmen eingehüllt, von Nordosten erfolgreich in unsere geliebte Hauptstadt eingedrungen. Und kaum Verluste! Doch dort traf uns ein Luftangriff, der uns die unermessliche und furchtbare Feuerkraft des Feindes spüren ließ. Dieser Luftangriff auf unseren aus viertausend Soldaten

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