Kaiserkrieger 2: Der Verrat
aus dem Fernen Osten in großer Zahl herbeiströmen und die Kirchen plündern, die Christen abschlachten und ich befürchte, dass das Reich dagegen nichts oder nur wenig wird ausrichten können, und was es dann vollbringt, wird nicht reichen, um mehr als nur eine vorübergehende Gefahr zu bannen. Ich fürchte, dass Usurpatoren sich in schneller Folge abwechseln, dass ganze Stadtbevölkerungen ausgelöscht werden, weil sie dem einen oder anderen christlichen Bekenntnis zugewandt sind.
Ich sehe Römer gegen Römer im Bürgerkrieg stehen und ich sehe tapfere Legionäre, bitter benötigt, um die Grenzen zu verteidigen, wie sie gegen andere Legionäre ins Feld ziehen. Ich sehe, wie römische Schwerter römisches Blut vergießen, für Macht, den wahren Glauben, die einzig richtige Sichtweise, während die Barbaren nur darauf warten, dass sich Rom selbst auf dem Schlachtfeld erschöpft, um dann hereinzuströmen und die Reste hinwegzufegen.
Ich befürchte, dass ein uneiniges Reich auseinanderbricht. Ich befürchte, dass mangelnde Toleranz die Einheit des Reiches zerstört, Brüder gegen Brüder, Freunde gegen Freunde richtet, manchmal Frauen gegen ihre Männer und Eltern gegen ihre Kinder. Ich befürchte, dass dieser Streit die Zwietracht nähren und die Kraft des Reiches schwächen wird, bis es nicht mehr in der Lage ist, Feinde im Inneren ebenso zu bekämpfen wie Feinde im Äußeren, und sich selbst an all den vielen Fronten zerreibt. Ich befürchte, dass die Perser sich die Provinzen im Osten nehmen werden, ich sehe die Eroberungen des Julius Caesar verloren und ich sehe das Gras über den römischen Thermen, den Foren und den öffentlichen Gebäuden wachsen, die Straßen verfallen und die Aquädukte, die Garnisonen und Festungen, alles, was die römische Zivilisation zusammengehalten hat.
Ich sehe den Bischof von Mailand und später jenen von Rom von der Einheit der Kirche träumen und doch ist diese scheinbare Einheit errichtet auf den Trümmern des Reiches, das die Kirche nicht mehr zu beschützen imstande ist, weil die Kirche es war, die zugelassen hat, dass es nur noch aus Trümmern besteht. Das befürchte ich, ehrenwerter Bischof von Mailand.«
Rheinberg erhob sich, hob eine Hand, ehe Ambrosius antworten konnte.
»In meiner Zeit, Ambrosius von Mailand, geltet Ihr als Vater der Kirche, als derjenige, der die Staatskirche etabliert hat. Die Historiker vergessen schnell, dass diese Staatskirche länger existierte als der Staat, dem sie zugehörig war, und dass die weitere Geschichte zwar den Sieg der Trinitarier über die Arianer sah, aber dass dieser Sieg mit dem Blut von Christen erkauft wurde und dass Toleranz ein Fremdwort ist. Und so haben sich ständig neue Abspaltungen und Sekten gebildet, die mit eiserner Hand unterdrückt wurden, bis zu jenem Tag, an dem die Kirche sich selbst tief in ihren Grundfesten spaltete und einen kontinentalen Bürgerkrieg auslöste, der unendliches Leid ausgelöst hat.«
Ambrosius starrte Rheinberg blass an. Er machte keine Anstalten mehr, etwas zu sagen.
»Ich befürchte noch mehr, Ambrosius. Ich befürchte, mit meinen Männern in dieser uns fremden Zeit gestrandet zu sein. Ich habe Angst um alle, die meiner Führung anvertraut sind. Ich befürchte, dass alles, was wir mitgebracht haben, vom Strom der Zeit fortgespült wird und alle Erkenntnisse, die wir haben, der Ignoranz und der Angst zum Opfer fallen werden. Ich befürchte, dass das Reich diese einmalige Chance, das Blatt zu wenden und einen rettenden, wenngleich sehr anstrengenden Weg zu gehen, ausschlagen wird und exakt das passiert, was ich aus meinen Geschichtsbüchern kenne. Ich sehe mein Schiff in Flammen oder von Fäulnis zerfressen, unsere mächtigen Waffen unnütz und verloren und unseren Rat vergessen, und nichts fürchte ich mehr als das. Ich befürchte, wie die Römer auf unseren Gräbern tanzen und Priester uns als Dämonen zeihen, und ich befürchte, dass die dunkle Zeit, von der ich sprach, unausweichlich beginnen wird. Ich habe große Angst davor, edler Ambrosius, dass im Jahre 397, wenn Ihr zu Ostern sterben werdet, ein Junge namens Honorius, geführt von einem gotischen Heerführer, das Reich regieren wird und dass zehn Jahre später, im Jahre 407, die Vandalen, Sueben und Alanen über den Rhein strömen und am 24. August 410 die Ewige Stadt erobern und schrecklich verwüsten werden.«
Tödliche Stille hatte sich über die Anwesenden im Zelt gesenkt. Theodosius blickte Rheinberg starr an, obgleich dieser
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