Kaltgestellt
unverblümt mitgeteilt. Er hat mir eine Menge Gründe dafür dargelegt, weshalb die Amerikaner es aus ihrer Sicht tun müßten. Ich habe die meiste Zeit bloß zugehört, um herauszufinden, was sie vorhaben. Aus irgendeinem Grund hat Morgenstern großes Vertrauen in mich, weshalb ich wohl auch auf dieser Liste ganz oben stehe.«
»Sie würden bestimmt keinen schlechten Gouverneur abgeben«, sagte Newman.
»Aber ich würde mich niemals dafür hergeben. Lieber emigriere ich auf den Kontinent, als daß ich mich in die schmutzigen Pläne der Amerikaner mit hineinziehen lasse. Jetzt, wo Sie dieses Blatt gesehen haben, wissen Sie alle, was für enorme Anstrengungen wir vor uns haben, wenn wir die Amerikaner noch stoppen wollen. Und ich habe das schreckliche Gefühl, daß uns nur sehr wenig Zeit dafür bleibt.«
»Was können wir dagegen tun?«, fragte Marler, während er die Liste an Tweed zurückgab.
»Ich habe mir Kurts Notizbuch angesehen«, antwortete Tweed. »Darin steht der Name eines Ortes: St. Ursanne. Zufälligerweise war ich schon dort – es ist ein hübsches Dorf in der französischsprachigen Schweiz, das langsam zu einer Kleinstadt wird. Dort werden wir noch heute Vormittag hinfahren.«
»Warum?«, fragte Paula.
»Weil Kurt in dem Buch unter dem Stichwort St. Ursanne die Adresse eines Hotels und den Namen einer Frau aufgeschrieben hat. Das Hotel heißt Hotel d’Or, und die Adresse lautet La Ruelle. Die Frau heißt Juliette Leroy. Diese Eintragungen hat er direkt hinter die Losung ›General Guisan‹ geschrieben. Ich vermute, daß ich es benützen muß, wenn ich mit Juliette Leroy sprechen will. Kurt Schwarz hat sich offenbar gern auf die Verschwiegenheit von Frauen verlassen. Zumindest was Irina anbetrifft, lag er damit nicht verkehrt.«
»Er war ein Mann, zu dem die Frauen sich hingezogen fühlten«, bemerkte Paula. »Auch ich war sehr von seiner sanften Persönlichkeit angetan, als wir gemeinsam in meiner Wohnung zu Abend gegessen haben.«
»Nach dem, was in letzter Zeit geschehen ist, wäre es besser, wenn wir alle mitkommen würden«, sagte Marler an Tweed gewandt.
»Aber was ist dann mit dem Schwarzwald? Wenn Ronstadt und Co. dorthin fahren, werden wir ihnen nicht folgen können.«
»Ronstadt fährt in der nächsten Zeit bestimmt nirgendwohin. Nach Keiths Coup in der Bank muss er erst einmal auf frisches Geld warten.«
»Sie klingen so, als wüßten Sie genau, was Ronstadt vorhat«, sagte Paula.
»Ich gehe jede Wette ein, daß ich Recht habe. Trotzdem werde ich Beck darum bitten, die Amerikaner während unserer Abwesenheit im Auge zu behalten. Ich gehe nachher gleich mal hinüber zu ihm. Vielleicht kann ich ihn überreden, daß er zwei Beamte in Zivil am Grenzübergang postiert, die Ronstadt verfolgen könnten, wenn er wider alles Erwarten doch nach Deutschland fahren sollte. Wir aber müssen jetzt herausfinden, was es mit dem Hotel in St. Ursanne auf sich hat. Informationen, die von Kurt Schwarz kommen, haben sich bisher immer als wertvoll herausgestellt.«
»Wenn Sie jetzt zu Beck gehen, komme ich mit«, sagte Newman.
»Gut. Die anderen können sich inzwischen auf unsere kleine Reise vorbereiten. Wir werden übrigens mit dem Zug fahren. Paula, wären Sie vielleicht so freundlich und würden beim Bahnhof nach den Abfahrtszeiten fragen? Wir müssen in einem Ort namens Delemont umsteigen.« Das Telefon klingelte, und Paula ging ran. Sie bat den Anrufer,, einen Augenblick zu warten, und wandte sich an Marler.
»Es ist für Sie. Denise Chatel. Sie sagt, sie hat wichtige Neuigkeiten und will Sie unbedingt sprechen.«
»Geben Sie ihr meine Zimmernummer, und sagen Sie ihr, daß ich dort auf sie warten werde.«
Nachdem Marler den Raum verlassen hatte, sagte Paula: »Ich frage mich, wieso Marler ihr gesagt hat, sein Vorname sei Alec. Nur gut, daß wir Bescheid wissen, um uns nicht zu verplappern.«
»Vielleicht war es der erstbeste Name, der ihm in den Sinn gekommen ist«, mutmaßte Tweed. »Bob, wir warten noch, bis Marler zurückkommt. Ich möchte gern wissen, was Denise als wichtige Informationen bezeichnet.«
»Kommen Sie doch herein, Denise«, sagte Marler und hielt ihr die Tür seines Zimmers auf. »Sie sehen wieder einmal fantastisch aus.«
Denise Chatel trug einen dunkelblauen Hosenanzug und einen bunten Seidenschal.
»Ach, das ist nur mein Arbeitsoutfit«, sagte sie beiläufig, aber Marler merkte trotzdem, daß sie sich geschmeichelt fühlte. »Aber wenigstens hält es warm. Ich
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