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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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die Frau. Nacheinander hielt sie jeden der sechs Steine unter die Lupe und betrachtete sie eingehend, ohne ein Wort zu sagen.
    Als sie fertig war, richtete sie den Blick wieder auf Jan. »Woher haben Sie die Steine?«
    »Familienstücke«, sagte Jan. »Ich habe sie geerbt.«
    »Verstehe. Haben Sie noch mehr davon?«
    »Ein paar«, erwiderte Jan. »Aber sie sind alle mehr oder weniger identisch.«
    »Das sieht so aus«, sagte die Frau.
    »Also, was meinen Sie? Wie würden Sie den Wert der Steine beziffern? Es muss nicht hundertprozentig genau sein.«
    Die Frau gab einen kleinen Seufzer von sich. »Darf ich Ihnen etwas zeigen?«
    Sie platzierte einen der Diamanten auf der Unterlage, genau über einem dünnen schwarzen Strich. »Sehen Sie sich den Stein direkt von oben an. Können Sie die schwarze Linie erkennen?«
    Jan nickte. »Ja.«
    Die Frau wandte sich um und nahm etwas aus einer Schublade hinter sich. Zwischen den Fingern hielt sie einen kleinen Diamanten, den sie neben Jans Stein legte. Beide Steine sahen vollkommen identisch aus.
    »Können Sie die Linie auch durch diesen Stein erkennen?«, fragte die Frau.
    Jan kniff die Augen zusammen. »Nein«, sagte sie dann.
    »Das liegt daran, dass Diamanten eine extrem hohe Lichtbrechung haben. Das einfallende Licht wird in so viele Richtungen reflektiert, dass Sie nicht durch den Stein sehen können.«
    Jan spürte, wie Nervosität in ihr aufstieg.
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte sie. »Dass meine Diamanten von minderer Qualität sind?«
    »Nein«, gab die Frau zurück. »Ihr Stein ist kein Diamant.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Jan. »Er sieht doch genau wie Ihrer aus.«
    »Für Sie vielleicht. Ihr Stein ist ein Zirconiumdioxid-Kristall. Ein künstlich hergestellter Edelstein, der einem echten Diamanten täuschend ähnlich sieht. Die meisten Diamanten, die man in Anzeigen sieht, sind in Wirklichkeit Zirkonia.« Sie griff hinter sich, legte ein Magazin auf den Glastresen und begann zu blättern. Sie deutete auf verschiedene Bilder. »Alles Fälschungen. Die Versicherungskosten für ein Foto-Shooting wären astronomisch, wenn man echte Diamanten verwenden würde.«
    Jan konnte nicht fassen, was sie soeben gehört hatte.
    »Das ist unmöglich«, sagte sie. Um ein Haar versagte ihr die Stimme.
    »Es tut mir leid«, sagte die Frau. »Das ist bestimmt ein kleiner Schock für Sie, aber bei diesen Diamanten handelt es sich um billige Imitationen.«
    »Das heißt also, dass mein Stein zersplittern würde, wenn man mit einem Hammer daraufschlägt«, sagte Jan.
    »Mit Sicherheit«, erwiderte die Frau. »Aber auch Diamanten können splittern.«
    »Aber meine Steine, meine Zirko…«
    »Zirkonia«, sagte die Frau.
    »Irgendetwas müssen sie doch wert sein«, sagte Jan, unfähig, die Verzweiflung in ihrer Stimme zu verhehlen.
    »Ja, natürlich«, sagte die Frau. »Etwa fünfzig Cent pro Stück.«

39
    Barry Duckworth hielt am Seitenstreifen. Er befand sich im Nordwesten von Albany. Links und rechts der zweispurigen Straße, die hier über einen dicht bewaldeten Hügel führte, standen mehrere Streifenwagen. Duckworths Blick wanderte zur linken Straßenseite, wo es steil abwärts ging.
    Ein Autofahrer hatte die Polizei alarmiert. Wegen des Geländewagens, der offenbar von der Straße abgekommen war.
    Das erste Rettungsteam hatte sich zu dem Unfallwagen abgeseilt. Die Männer wussten, dass es schwierig sein würde, eine verletzte Person den Abhang hinaufzuschaffen, doch es hatte sich herausgestellt, dass ihre Befürchtungen unbegründet gewesen waren.
    Es befand sich niemand in dem alten Ford Explorer, und nichts wies darauf hin, dass sich jemand verletzt hatte. An der zersplitterten Windschutzscheibe klebte kein Blut, und auch sonst waren keinerlei Spuren zu finden, die darauf hingedeutet hätten, dass hier jemand zu Schaden gekommen war.
    Die Polizei hatte das Kennzeichen überprüft und schnell herausgefunden, dass der Explorer auf einen gewissen Lyall Kowalski, wohnhaft in Promise Falls, zugelassen war. Und da dessen Frau vermisst wurde, hatten sie umgehend Detective Duckworth informiert.
    Am Abend zuvor hatte der Detective Lyall Kowalski darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Leiche seiner Frau Leanne unweit des Lake George gefunden worden war.
    Kowalski war durchgedreht vor Schmerz. Er hatte seinen Kopf gegen die Wand geschlagen, bis ihm das Blut von der Stirn lief und sein Hund zu jaulen begann.
    Duckworth beschloss, Kowalski vorläufig noch nichts von dem Fund zu

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