Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
»Ich erinnere mich an sie«, sagte Tina Pirelli leise. »Und warum suchen Sie nach ihr?«
    Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr irgendeine Story aufzutischen, beschloss dann aber, die Wahrheit zu sagen. »Sie ist meine Frau«, sagte ich. »Ich bin auf der Suche nach ihr, weil sie spurlos verschwunden ist.«
    Ich hörte, wie Tina Pirelli scharf einatmete. »Und da wenden Sie sich an mich? Ich habe sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Das verstehe ich«, sagte ich. »Aber erinnern Sie sich vielleicht, wohin die Tattingers damals gezogen sind? Sind sie möglicherweise sogar ins Ausland gegangen?« Nachdem es mir nicht gelungen war, in den USA einen Martin Tattinger ausfindig zu machen, fragte ich mich, ob er am Ende mit seiner Familie nach Kanada oder nach Übersee übergesiedelt war.
    »Sie haben niemandem etwas gesagt«, erwiderte Tina Pirelli. »Nach dem, was passiert war, wollten sie einfach nur noch weg.«
    »Sie meinen den … Unfall?«
    »Ihre Frau hat Ihnen also davon erzählt?«, sagte sie.
    »Ja«, log ich.
    »Die arme Constance. Alle haben sie dafür verantwortlich gemacht. Dabei war sie doch noch ein Kind. Nun ja, ihre Eltern haben sie schließlich von der Schule genommen, und eines Tages waren sie einfach verschwunden. Es tut mir leid, Mr Harwood, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, was mit den Tattingers passiert ist.« Sie schwieg einen Moment. »Sie sagten, Ihre Frau sei verschwunden?«
    »Es fehlt jede Spur von ihr«, erwiderte ich.
    »Das muss ja schrecklich für Sie sein«, sagte sie.
    »Mehr als das.«
    »Ich habe Constance nur ein paar Wochen unterrichtet. Der Unfall passierte im September, kurz nach Schulanfang. Aber sie war ein liebes Mädchen. Eine von den ganz Stillen. Nachdem ihre Eltern sie von der Schule genommen hatten, bin ich ihr nur noch einmal begegnet.«
    »Und?«, fragte ich. »Was hatten Sie für einen Eindruck von ihr?«
    Tina Pirelli schwieg so lange, dass ich glaubte, die Verbindung sei unterbrochen worden. »Es war, als würde sie nichts mehr fühlen«, sagte sie dann.
    ***
    Anschließend rief ich den unter »M. Tattinger« eingetragenen Anschluss in Pittsburgh an.
    »Hallo?« Ein Mann. Er klang, als wäre er nicht mehr ganz jung, vielleicht Mitte sechzig oder so.
    »Spreche ich mit Martin Tattinger?«, fragte ich.
    Der Mann antwortete nicht. Stirnrunzelnd wiederholte ich meine Frage.
    »Nein«, gab er zurück. »Hier ist Mick Tattinger. Anscheinend haben Sie sich verwählt.«
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich. »Aber vielleicht können Sie mir trotzdem weiterhelfen. Mein Name ist David Harwood. Ich suche nach einem Martin Tattinger und seiner Familie. Früher haben sie hier oben in Rochester gewohnt, aber das ist schon dreißig Jahre her. Sie sind nicht zufällig mit Martin Tattinger verwandt, oder?«
    »Der Mann, nach dem Sie suchen, ist mein Bruder«, sagte er tonlos.
    »Oh.« Plötzlich schöpfte ich wieder Hoffnung.
    »Thelma und er sind von einem Ort zum nächsten gezogen. Am Ende sind sie in El Paso gelandet.«
    El Paso? Wenn es dort einen Telefonanschluss gab, war er offensichtlich nicht eingetragen. »Könnten Sie mir die Nummer geben?«, fragte ich.
    »Was wollen Sie denn von ihm?«, fragte Mick Tattinger.
    »Es geht um seine Tochter«, erwiderte ich bewusst vage. »Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber sie steckt anscheinend in Schwierigkeiten. Und deshalb versuche ich, Kontakt mit ihren Eltern aufzunehmen.«
    »Da werden Sie kein Glück haben«, sagte Mick Tattinger.
    »Warum?«
    »Sie sind tot.«
    »Was?« Ich stutzte. »Oh, das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass sie gestorben sind.«
    »Gestorben?« Mick Tattinger gab ein leises Schnauben von sich. »So kann man’s auch ausdrücken.«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie wurden ermordet.«
    »Was?«
    »Jemand hat sie gefesselt und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. In ihrer Küche. Und dabei wurde nicht mal etwas gestohlen.«
    »Wann war das?«
    »Vier, fünf Jahre ist es jetzt her. Ich habe mir das Datum nicht genau notiert, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Wurde der Täter gefasst?«, fragte ich.
    »Nein«, erwiderte Mick Tattinger. »Was ist denn los mit Connie?«
    »Sie ist verschwunden«, sagte ich.
    »Das ist ja mal was ganz Neues«, gab er zurück. »Bei Martin und Thelma hatte sich Connie jedenfalls schon seit tausend Jahren nicht mehr gemeldet. Sie war sechzehn oder siebzehn, als sie von zu Hause abgehauen ist. Kein Wunder eigentlich. Und Sie kennen

Weitere Kostenlose Bücher