Keltengrab: Thriller (German Edition)
verflüchtigte sie sich.
Ich blickte mich um, ob sich etwas verändert hatte. Beide Tische waren noch zugedeckt. Alles schien wie vorher … Und dann sah ich es. Das Tuch auf dem zweiten Tisch war auf der mir zugewandten Seite weiter nach unten gerutscht. Es sah aus, als hätte es jemand angehoben und nicht ganz ordentlich wieder darüber gebreitet. Das Tuch konnte auch von allein verrutscht sein, aber es verstärkte meinen Verdacht, dass jemand im Leichenschauhaus gewesen war. Archäologen sind es gewöhnt, aus bruchstückhaften Hinweisen umfangreiche Folgerungen zu ziehen.
Ich kramte mein Handy hervor und rief Keelan an.
»Was gibt es, Illaun?«
»Wart ihr beiden im Leichenschauhaus, während ich weg war?«
»Wir? Bestimmt nicht.«
»Habt ihr jemanden hineingelassen?«
»Nicht dass ich wüsste. Warte, ich frage Gayle …« Ich hörte, wie er die Frage wiederholte. »Nein.«
»Und niemand hat euch um den Schlüssel gebeten?«
»Niemand hat uns um den Schlüssel gebeten«, sagte er langsam, damit Gayle mithören konnte. »Gayle schüttelt den Kopf, es gilt also für uns beide. Und da wir das nun geklärt hätten – was hat dieses Stück Leder zu bedeuten?«
»Ich bin gerade dabei, es herauszufinden«, sagte ich und schaltete das Handy aus.
Ich schlug das Tuch über Mona gerade schwungvoll zurück, als Sherry zur Tür hereinkam. Er überflog den Inhalt des gelben Kuverts, das er vorhin bekommen hatte. »Keine Frage«, sagte er, als hätten wir den Raum nie verlassen, »die Gerbsäure hat ganze Arbeit geleistet.« Er trat an den Tisch und sah Mona bewundernd an. »Die Haut unserer Schönen hier ist ja durch und durch Leder.«
»Malcolm, waren Sie in der Zwischenzeit noch mal hier drin?«
»Nein.«
»Riechen Sie das auch? Ein Parfum.«
Er schnupperte. »Nein.« Dann lachte er. »Wir haben es hier ja nicht mit einem konservierten Heiligen zu tun.« Er rollte den Umschlag zusammen, steckte ihn in die Tasche und holte ein paar Operationshandschuhe aus einem Karton in der Spüle.
Ich beschloss, fürs Erste nicht weiter darüber nachzudenken, wer im Leichenschauhaus gewesen sein könnte und aus welchem Grund. Andere Dinge forderten meine Aufmerksamkeit. Das Ausmaß des Gerbprozesses hatte meine Hoffnung auf ein hohes Alter Monas wieder etwas steigen lassen. Und dann war da noch dieser neueste Fund. »Apropos Leder …«, sagte ich und hielt den Plastikbeutel in die Höhe.
Sherrys Miene hellte sich auf. »Aus dem Torf im Schuppen?«
»Ja. Wollen Sie nachsehen, ob es passt?« Ich reichte ihm die Tüte.
Sherry öffnete sie und holte den Riemen vorsichtig heraus. Er hielt ihn zwischen Zeigefinger und Daumen und ließ ihn herabbaumeln, damit wir sehen konnten, wie lang er war. Er entrollte sich ein wenig, blieb aber im Wesentlichen in einer gewundenen Form. Ich sah, dass die spitz zulaufenden Enden verdreht waren, als hätten sie unter Spannung gestanden und wären dann gerissen. Sherry hielt beide Enden fest und zog den Lederriemen auseinander – er war gut einen halben Meter lang.
Dann legte er einen Abschnitt davon in die Rille an Monas Hals. Er passte perfekt hinein. »Kein Zweifel«, sagte er.
Dann prüfte er die Enden des Bandes. »Das stammt nicht vom Bagger, die Bruchstelle ist alt. Es muss gerissen sein, als sie stranguliert wurde. Aber ich hätte erwartet, dass man für eine Schlaufe oder einen Schlingknoten ein längeres Stück braucht als das hier.« Er gab mir den Riemen zurück.
»Sie könnte aber auch nur mit diesem Stück erdrosselt worden sein, wenn es von hinten irgendwie festgezurrt wurde.«
»Ja, mit einem Stock vielleicht. Das würde erklären, warum die Enden verdreht sind.«
»Sie könnte ihn sogar getragen haben.« Ich hob den Riemen hoch und drehte ihn langsam im Licht. »Allerdings gibt es keine Anzeichen, dass er verknotet wurde … keine Löcher von einer Ahle, falls er vielleicht genäht wurde.«
»Aber ein Knoten könnte leicht aufgegangen sein, bei so viel Gewaltanwendung. Sie könnten also Recht haben. Sie wurde vielleicht wirklich mit ihrem eigenen Halsband ermordet.«
»Genau werden wir es wohl nie erfahren.« Ich legte den Lederstreifen in den Probenbeutel zurück und wies mit einem Kopfnicken auf Mona. »Sie sind jetzt fertig mit ihr, nehme ich an.«
»Ich habe keinen Grund, Mona, wie Sie sie nennen, noch länger zu behalten.« Es war das erste Mal, dass er ihren Namen benutzte. »Und keine Rechtfertigung, noch mehr Zeit oder Geld darauf zu verwenden, sie weiter
Weitere Kostenlose Bücher