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Kerstin Gier 2

Kerstin Gier 2

Titel: Kerstin Gier 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mutter-Mafia und Friends
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mit einem besonders großen Brennnesselbusch fertig wurde. Wenn man nicht grüßt, ist man der arrogante Sack aus der Stadt, wenn man doch grüßt, biedert man sich an, ganz so, als würde man auf die Wertschätzung der Landbevölkerung Wert legen. Alles wieder sehr kompliziert. Wie immer. Und ohne Kaffee sowieso noch viel komplizierter.
    Links von ihnen lag die große Kuhweide hinter Stacheldraht, natürlich war noch kein Tier zu sehen. Der Sohn stellte sich auf die Zehenspitzen, befühlte die Stacheln am Draht und sah sich um. »Noch im Stall«, sagte der Vater schnell, bevor der Kleine fragen konnte, »die Kühe schlafen noch. Es ist noch sehr früh, weißt du. Alle schlafen noch. Fast alle. Außer uns beiden.« Es war schlimm genug, um diese Uhrzeit zu einem Schweinestall unterwegs zu sein, da wollte er nicht auch noch Zeit vor der Kuhweide verbringen. Bloß weiter, bevor die Tiere aus dem Stall kamen, bloß ab zu den Schweinen und dann schnellstens zurück, zum Frühstückstisch, zum Kaffee. Der Sohn schüttelte den Kopf und zeigte auf den großen Kuhstall am anderen Ende der Weide, an dem gerade zwei Jungs entlanggingen, acht oder zehn Jahre alt vielleicht, dachte der Vater. Sie machten das Tor auf und gingen hinein, man hörte die Kühe drinnen dumpf muhen und in Bewegung kommen, Ketten rasselten, Tore wurden aufgeschoben. Die Jungs riefen etwas, was der Vater nicht verstehen konnte, irgendeinen Kuhlockruf wohl, wahrscheinlich seit Jahrtausenden überliefert, er hatte da nur sehr unklare Vorstellungen. Was man auf dem Land eben so lernt, wenn man hier groß wird, dachte er. Hühner scheuchen, Kühe locken. Dann sprangen die ersten Kühe aus dem Stall, bockend und tänzelnd wie junge Kälber, verblüffend beweglich für so große Tiere. »Kühe nicht schlafen«, sagte der Sohn und schüttelte den Kopf, »siehst du?« Der Sohn sah zu ihm hoch und der Triumph des Besserwissens in seinem Gesicht war unverkennbar.
    Die Kühe liefen im Kreis, man hätte denken können, sie würden Fangen spielen, dann verstreuten sie sich allmählich weiter und weiter über die Koppel, die ersten begannen bereits zu grasen. Nach und nach wurde die Herde ruhiger, immer weniger liefen herum, immer mehr blieben stehen, senkten den Kopf und fingen an, das hochstehende Gras abzurupfen, nur die Schwänze blieben in wilder Bewegung und schlugen unentwegt nach den Fliegen auf den Flanken der Tiere. »Die essen jetzt Frühstück«, kommentierte der Sohn fachkundig. »Ja«, sagte der Vater, »Frühstück ist toll. Ich hätte auch gerne gefrühstückt. Aber du wolltest ja unbedingt erst Schweine gucken, du Irrer.«
    »Hast du versprochen«, erinnerte ihn der Sohn und guckte alarmiert, er sah sein Morgenprojekt in Gefahr, der Tonfall seines Vaters gefiel ihm nicht. »Hast du versprochen! Schweine gucken!«, wiederholte er sicherheitshalber.
    *
     
    Sie waren erst am Abend zuvor angekommen, nachdem sie sich ziemlich lange in den Dörfern ringsum verfahren hatten. Es war der heißeste Tag des Jahres, und die Klimaanlage im Auto wollte nicht recht. Er drehte an den Reglern der Lüftung, öffnete die Fenster und schloss sie wieder, experimentierte mit dem Schiebedach und musste sich dann entnervt die Beschwerden seiner Frau und seines Sohnes über die unzumutbare Zugluft anhören. Er fuhr dauernd gegen die grell blendende Sonne, er hatte Hunger und Durst, und das Benzin reichte auch nicht mehr endlos. Die Gegend machte ihm nicht den Eindruck, als würde es irgendwo eine Tankstelle geben. Die Dörfer sahen hier alle gleich aus, gleich langweilig, wie er sagte, und die Stimmung im Auto sank mit jedem umkurvten Gehöft. Seine Frau drehte die Karte ratlos auf ihrem Schoß herum und guckte zwischendurch irritiert in die Landschaft, die ihr keine Anhaltspunkte gab. Der Sohn fragte von hinten im Minutentakt, wo denn der versprochene Bauernhof sei, und der Vater hatte – schon seit sie vor einer Stunde von der Autobahn abgefahren waren – erschreckend realistische Wahnvorstellungen von gekühltem Bier.
    »Keine Ortsnamen, keine Straßennamen, keine Schilder«, sagte er, als sie an einer Reihe von drei fensterlosen Scheunen vorbeifuhren. »Die wollen doch gar keine Gäste hier, ist ja wie früher in der DDR oder so. Sollen die Fremden doch sehen, wo sie bleiben. Wir könnten auch einfach wieder nach Hause fahren, oder? Also abgesehen davon, dass wir die Autobahn wahrscheinlich nie wieder finden werden und dann irgendwo in der Wildnis von Niedersachsen

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