King City: Stadt des Verbrechens (German Edition)
behandelt und darauf gewartet, dass sich jemand meldet, der sie abholt.«
»Sie ist kein Gepäckstück«, sagte Wade.
»Wir haben alles versucht, um ihre Familie oder Freunde von ihr ausfindig zu machen«, sagte Eddington. »Und ihr habt uns auch nicht gerade geholfen. In der Zwischenzeit haben wir sie durchgefüttert, gesäubert und ihr drei Tage ein Bett zur Verfügung gestellt. Als sie dann gehen wollte, hatten wir keine Möglichkeit, sie hier festzuhalten.«
»Sie hätten sie einweisen lassen können«, sagte Wade.
»Zu dem Zeitpunkt schien sie völlig klar bei Verstand zu sein.«
»Genau wie jetzt«, bemerkte Wade und deutete auf die Frau.
Jane spielte auf einer unsichtbaren Geige und summte vor sich hin.
»Sie hat weder für sich noch für andere eine Gefahr dargestellt«, entgegnete Eddington.
Für die Bilanz des Krankenhauses allerdings schon.
Das Community General war bereits einmal nur knapp der Insolvenz entkommen, daher ging Wade davon aus, dass die Mitarbeiter unter großem Druck standen, Kosten einzusparen. Das Personal wusste, dass sie für die Behandlung oder das Bett, das sie zur Verfügung gestellt hatten, niemals Geld sehen würden. Niemand wollte riskieren, dass noch weitere Kosten entstanden, wenn man sie in eine Nervenklinik überwies. Und da sich ohnehin niemand für sie zu interessieren schien, gab es eine einfache und billige Lösung für das Problem.
»Also haben Sie ihr ein Taxi gerufen«, stellte Wade fest.
»Ich habe es sogar aus eigener Tasche bezahlt«, sagte Eddington. »Aus reiner Freundlichkeit.«
»Sie sind ja ganz entzückend«, bemerkte Charlotte.
Eddington warf ihr einen bösen Blick zu.
»Und was haben Sie dem Taxifahrer gesagt, wo er sie hinbringen soll?«, fragte Wade.
»Gar nichts«, entgegnete Eddington. »Ich habe dem Taxifahrer dreißig Dollar gegeben und mir gedacht, dass Sie damit überall in King City hinkommt, wo sie hin möchte. Sie müssen sie schon selbst fragen, was sie ihm gesagt hat, wo er sie hinfahren soll.«
Eddington drehte sich um und wollte davongehen. Charlotte trat ihm in den Weg. »Wo wollen Sie hin?«
»Zurück an die Arbeit«, erwiderte Eddington. »Ich habe Patienten.«
»Und sie ist eine davon«, erklärte Charlotte und deutete auf Jane. »Sie leidet an irgendeiner Form von Demenz.«
Eddington schnaubte. »Jetzt sind Sie also nicht nur Polizisten, sondern auch schon Ärzte?«
Charlotte trat so dicht vor ihn hin, dass sich ihre beiden Nasen fast berührten. »Wenn Sie uns noch einmal duzen, werden Sie selbst einen verdammten Arzt brauchen.«
Wade verkniff sich ein Grinsen.
»Wir sind ein allgemeines Krankenhaus,
Officer
«, entgegnete Eddington angestrengt und trat zwei Schritte zurück. »Wir sind keine Fachklinik für demenziell Erkrankte und auch kein Altersheim.«
»Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, für die weiterführende Behandlung eines Patienten Sorge zu tragen, bevor Sie ihn entlassen«, erklärte Charlotte. »Allerdings haben wir bei dieser Frau keine Medikamente und nicht mal einen Arztbrief gefunden.«
»Offensichtlich hat sie beides verloren«, erwiderte Eddington.
»Ich sage Ihnen mal, was ich denke«, meldete sich Wade zu Wort. »Sie haben eine senile alte Frau, die nichts als ein Krankenhaushemd am Leib trug, in ein Taxi gesetzt und dem Fahrer gesagt, er solle sie irgendwo in Darwin Gardens rausschmeißen, anstatt sie zurück in den Riverfront Park zu bringen, damit sie zum Problem vom Blake Memorial wird, falls wieder irgendwas mit ihr passiert. Sie wollten sich keine weiteren Kosten aufladen. Dabei haben Sie nur übersehen, ihr das Plastikarmband abzuschneiden.«
Unwillkürlich warf Eddington der Schwester einen Blick zu, die sofort wegsah. Sie konnte sich schon auf eine Standpauke gefasst machen. Dann wandte sich der Arzt wieder Wade zu.
»Sie war nicht krank, sie wollte gehen und wir haben sie entlassen«, sagte Eddington. »Was Sie glauben, spielt keine Rolle.«
Sie ist durch die Straßen gewankt, war völlig desorientiert und wäre beinah überfahren worden, was bedeutet, dass sie für sich und andere eine Gefahr darstellt. Also werden Sie sich um sie kümmern.« Wade blieb dicht vor Eddington stehen und senkte seine Stimme zu einem Flüstern, sodass nur der Arzt ihn hören konnte. »Und wenn Sie sie noch einmal in Darwin Gardens aussetzen, hole ich Sie persönlich hier ab, stecke Sie mit nacktem Hintern in ein Krankenhaushemd und bringe Sie ebenfalls dorthin.«
Damit drehte Wade sich um und
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