Kissed by Darkness
Mädchen verbracht.
Aber nun war es Artemisa selbst, die über meinem Bett stand, und sie trug nicht ihre Priesterrobe, sondern die Rüstung einer Kriegerin. »Wir müssen fort. Sie haben uns gefunden.«
Ich musste nicht fragen, wer »sie« waren. Ich wusste es. Beißender Rauchgeruch stieg mir in die Nase. Der Tempel brannte.
Jene, die schon meine Heimat und meine Familie vernichtet hatten, waren fest entschlossen, jedes Anzeichen dafür, dass mein Volk diesen Planeten jemals seine Heimat genannt hatte, auszulöschen, und trotz meines Menschenblutes hatten sie es vor allem auf mich abgesehen. Deshalb war sowohl die Tatsache, dass ich noch lebte, als auch die Existenz dieses Tempels ein wohlgehütetes Geheimnis. Dies hier war die letzte Bastion unserer einst blühenden Zivilisation. Niemand hatte von uns gewusst.
Bis jetzt.
Artemisa riss die Tür meines Kleiderschranks auf und schob die Roben beiseite. Kurz hantierte sie mit etwas herum, dann winkte sie mich zu sich. Anstelle der hölzernen Rückwand sah ich nur Schwärze. Die Verblüffung musste mir wohl anzusehen sein, denn Artemisa lächelte kaum wahrnehmbar. »Dachtest du, wir hätten keine Vorkehrungen zu deinem Schutz getroffen?«
»Ich habe nie richtig darüber nachgedacht«, gab ich zu. »Ich habe wohl angenommen, wir würden uns einfach den Weg freikämpfen, wenn es nötig würde.«
Sie schüttelte den Kopf, halb amüsiert, halb frustriert. »Dummes Kind. Du bist viel zu wertvoll, um in einem Kampf verloren zu gehen. Und jetzt beeil dich.«
Also trat ich in die Dunkelheit, Artemisa dicht hinter mir. Sie schob die Roben wieder zurecht und schloss die Tür hinter uns. Es war so dunkel, dass ich die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Kein Lichtschimmer drang von außen herein.
Ich schloss die Augen. Ich mochte die Dunkelheit nicht besonders. Stumm wünschte ich mir Licht, gerade genug, um etwas sehen zu können. Eine leuchtende Kugel erschien vor mir, sie schwebte ungefähr einen Meter über dem Boden und verströmte einen bläulich weißen Schein.
»Sehr gut. Wie ich sehe, hast du geübt.« Es klang lobend.
»Ja, Gebieterin.« Sie brauchte nicht zu wissen, dass ich es nicht nötig hatte, zu üben. Sowohl der Hohepriester als auch der Krieger hatten mich davor gewarnt, mich jemals einem anderen zu offenbaren. Auch der Hohepriesterin des Mondtempels nicht. Niemand wusste über das tatsächliche Ausmaß meiner Kräfte Bescheid. Dies war mein einzig wahrer Schutz gegen jene, die meinen Tod wollten, weil ich die Letzte der königlichen Blutlinie war. Bastard oder nicht.
Es war bekannt, dass die reinblütigen Angehörigen der Königsfamilie über angeborene Kräfte verfügten, die sogar die Macht der Priesterlinie überstieg. Allein aus diesem Grund war meine Familie zu den Herrschern über Atlantis geworden. Meine Vorfahren mussten jene, die eine solche Macht fürchteten, entweder beherrschen, oder riskieren, selbst gejagt und vernichtet zu werden. Die Königsfamilie war zugleich unglaublich mächtig und schrecklich gefährlich. Man sagte, allein die Gabe der Götter verleihe einem Hohepriester, sobald er gewählt war, eine noch größere Macht als die des Königs. Es war eine natürliche Fügung, die an Atlantis selbst gebunden war und sicherstellte, dass die Dinge nicht außer Kontrolle gerieten.
Halbblüter besaßen jedoch keine derartigen Kräfte, nicht einmal Halbblüter, die der Königsfamilie entstammten, so wie ich. Sie konnten kleine Mengen von Energie leiten, wie alle gewöhnlichen Bürger, doch das war nichts im Vergleich zu den Reinblütern. Denn nur Reinblüter konnten die Macht des Universums küssen und sie ihrem Willen beugen. Und merkwürdigerweise konnten sie ihr Wissen auch an einige Menschen weitergeben.
Doch aus irgendeinem Grund war ich anders. Ich war etwas Besonderes. Selbst der Hohepriester hatte nicht gewusst, warum. Alles, was er mir je gesagt hatte, war, dass ich beschützt werden müsse. Dass er gesehen habe, dass ich die Zukunft unseres Volkes war. Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber von ihm habe ich auch den besten Rat bekommen, der mir jemals zuteilwurde: Halte um jeden Preis geheim, was du bist. Seit fünfzehn Jahren leisteten mir diese Worte nun schon gute Dienste.
Die Leuchtkugel führte uns einen kurzen Gang entlang zu einer steinernen Wendeltreppe, die ins Innere des Berges hinabführte, auf dem der Tempel thronte. Alles war voller Staub und Spinnweben und kleine Tiere mit vielen Beinen huschten
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