Klar sehen und doch hoffen
und ihm klargemacht, dass das, was er dort gesagt und vertreten hat, genau das ist, was wir überwinden wollen.
Im Elbe-Elster-Theater war es um Kultur gegangen. Die Galeristin Eva Löber machte einen Vorschlag. Sie sagte wörtlich: »Es gibt ein Sprichwort ›Jedes Ding hat seine Zeit‹, ich denke, es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, ob der Panzer vor dem Sowjetischen Friedhof noch das richtige Symbol für die Befreiung unserer Stadt ist. In den letzten Jahren war es gerade die Sowjetunion, die viele Abrüstungsinitiativen in der Welt in Gang gesetzt hat und damit eine ganz wichtige Voraussetzung für die Entspannungspolitik geleistet hat. Dieser Panzer an der Schlosskirche bleibt, auch wenn er der Befreiung unserer Stadt gedient hat, ein Symbol des Krieges. Ich schlage vor, als Initiative unserer Stadt diesen Panzer in die Abrüstung einzubeziehen und den Künstlern unseres Landes Gelegenheit zu geben, ein neues Symbol der Befreiung zu gestalten.« Das war an jenem Abend noch sehr mutig. Kurz darauf konnte es einigen, die vorher so tapfer geschwiegen hatten, gar nicht schnell genug gehen, diesen Panzer einfach abzureißen. In Berlin war die Mauer gefallen, und wir waren dabei gewesen, die Mauer im Lande einzureißen.
DIE RUSSEN IN WITTENBERG
An allen vier Ausfallstraßen der Stadt Wittenberg – Richtung Dessau, Berlin, Dresden, Leipzig – gab es vierzig Jahre lang große Russenkasernen, offiziell waren das sowjetische Kasernender GSSD. Im sogenannten Apollensberg sollen auch Atomraketen stationiert gewesen sein, jene berühmt-berüchtigten SS 20.
Kundgebung vor dem Panzerdenkmal neben der Schlosskirche
Die Sowjetarmee marschierte in großen Formationen mit Paradeuniformen zu ihren entsprechenden Feiertagen durch die Stadt. Die volkseigenen Betriebe hatten jeweils Arbeiter und Funktionäre abgeordnet, die Kränze noch und noch mit sich trugen. Nach dem Bau des Panzerdenkmals 1973, direkt neben der Schlosskirche, zogen sie dorthin.
Jedem Bürger wurde regelmäßig sinnfällig bewusst gemacht: Wir sind besetzt. Und für Veränderungen gibt es keine Chance.
Diverse Kontaktversuche zu den bei uns wohnenden Familien scheiterten, bis wir 1988 zur Friedensdekade sowjetische Familien direkt einluden. Das Motto der Friedensdekade lautete: »Frieden den Nahen und Friede den Fernen«.Und es kamen in der Tat am Sonntagnachmittag um 14.59 Uhr etwa vierzig Sowjetbürger in die Stadtkirche. Sowohl die Staatssicherheit wie auch die sowjetische Militäradministration haben darüber Berichte verfasst. Im Bericht von Oberst Belikow heißt es:
Roßlau, den 21. 11. 88
Am 13. 11. 88 in einer evangelischen Kirche (Wittenberg, Collegien-Str. 54, Dekan – Fridrich Schorlemmer) war eine Veranstaltung, zu deren auch die Sowjetbürger eingeladen wurden.
Nach dem offiziellen Teil, der etwa 15 Minuten dauerte, fand ein Austauschsgespräch statt. Außer DDR- und UdSSR-Bürger sind … – Professor KenterUniversität (Staat Ogaio USA), eine männliche und eine weibliche Person aus der BRD anwesend, die aber am Gespräch nicht aktiv teilgenommen haben, schienen als Zuhörer zu sein.
… – ein DDR-Bürger – begleitete den Professor aus der USA (Wohnhaft: Wittenberg, …). … – Lehrerin in der russischen Sprache in einer Wittenberger Schule, wht. Wittenberg, … und … – ein Ingenieur des CK »Pisteritz« waren als Dolmetscher.
Während des Gesprächs wurden an sowjetischen Bürgern folgende Fragen gestellt:
1. Warum gehen die Soldaten in die Stadt nicht allein, sondern in Gruppen und so selten?
2. Wie verhalten Sie sich zu M. Gorbatschöw und zur Perestroika?
3. Sind unter Ihnen die Gläubigen?
4. Dürfen Sie die DDR-Familie zu Hause besuchen und umgekehrt? Wie findet denn das die Kommandantur?
5. Wie verhalten Sie sich zu Deutschen?
6. Gab es keine Schwierigkeiten hierher zu kommen? Wie gelang es Ihnen?
7. Dürfen Ihre Soldaten Bibel haben?
Der Pfarrer nahm an den Gesprächen besonders aktiv teil. Bei der Besprächung der Frage, die die Umgestaltung in der SU anbetrift,sagte er, daß die DDR auch eine Umgestaltung braucht,, dabei äußerte negative Meinungen gegen die Leitung der DDR. Danach erklärte er, daß dank der jährlichen finanziellen Hilfe der BRD gelan es in der DDR den hohen Wohlstand des Volkes zu leisten. Dabei betonte er: »Wir möchten uns vereinigen, DDR-BRD sind ein Land, aber einige unter Europäischen Staaten haben Angst von dieser Vereinigung«. Außerdem äußerte der sich negativ über
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