Königin der Schwerter
haben.«
»Zarife war eine Meisterin der Magie und sorgte dafür, dass die Simions gegen Zerstörung gefeit sind«, sagte sie mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Als sie weitersprach, huschte ein Schatten über ihr Gesicht. »Lange Zeit blieben sie unbehe l ligt, dann aber entdeckten die Mächtigen in Torpak die Tore in die andere Welt. Sie wussten um die Prophezeiung und hatten auch von den Simions e r fahren. Um Zarifes Rückkehr zu verhindern, schic k ten sie Späher in die fremde Welt, die dort gezielt nach den Simions Au s schau hielten. Viele Jahre suchten sie vergeblich, dann aber gelang es ihnen, einen Simion in die Hände zu bekommen. Seitdem haben wir große Verluste.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Am Ende waren nur noch wenige Simions unversehrt. Der Simion, den Zarife besitzt, zwei weitere und dieser hier.« Sie hielt die Tonfigur in die Höhe. »Er ist der Einzige, der uns geblieben ist. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Torpaks Schergen auch die letzten zerstört hä t ten.« Sie verstummte und schwieg einen Augenblick, dann straffte sie sich und sagte: »Aber halten wir uns nicht mit trüben Gedanken auf. Alles ist gut gega n gen, und Zarife ist auf dem Weg. Wir können nicht sagen, wie lange es dauern wird, bis sie eines der Tore e r reicht, aber wenn es so weit ist, müssen wir vorbereitet sein. Die Anrufung selbst werden wir oben auf dem Hügel im Kreis der Felsen vornehmen. Später wird hier die Vereinigung von Körper und Geist erfolgen.«
»Die Vereinigung?« Aideen erbleichte. »Aber Zar i fes Seele wohnt doch schon in einem Körper.«
»Der neue Körper ist nicht wichtig«, erklärte Bethia. »Er ist nur die Hülle, die unser Selbst u m gibt, und daher entbehrlich. Zarife gab uns den Au f trag, ihre alte Hülle vor dem Verfall zu bewahren, auf dass sie einst in sie zurückkehren kann. Dafür muss die neue Hülle sterben. Aber nun genug davon. Wir h a ben die heilige Ruhe dieses Ortes schon zu lange g e stört. Lass uns gehen.«
»Und was ist mit dem Simion?« Aideen deutete auf die Skulptur, die Bethia noch immer in den Hä n den hielt.
»Der Simion kommt mit«, erklärte Bethia. »Von heute an wird immer eine Hüterin bei ihm Wache halten, um auf das Zeichen zu warten. Ihr wechselt euch ab. Tag und Nacht. Du wirst mit der Wache beginnen. Später wird dich eine der Hüterinnen abl ö sen, die ich eigens für diese Aufgabe ausgewählt habe.«
14
Dünne Nebelschwaden zogen verirrten Geistern gleich durch die Gräben und Schluchten des Hoc h gebirges, als Jolfur und seine Männer die einsame Hütte verli e ßen und sich auf den Weg ins Tal mac h ten. In der eisigen Luft gefror ihnen der Atem fast augenblicklich an den Bärten, während sie über die dicke Schneede c ke stapften, die der Winter in diesem Jahr früh über die Berge gebre i tet hatte. Es da u erte nicht lange, da waren ihre Bärte mit einer Schicht aus glitzerndem Reif überzogen. Die Mä n ner froren. Es war kaum e i ner unter ihnen, der nicht die Sonne herbeisehnte. Die zwanzig Köpfe zählende Gru p pe hatte einen beschwe r lichen Abstieg und einen langen, gefährlichen Marsch durch das Waldland vor sich. Ke i ner von ihnen vermochte zu sagen, wie lange sie unte r wegs sein würden, denn weder Jolfur noch einer seiner Getreuen kannte das Ziel. Sie wussten, dass sich die R e bellen an der Grenze zum Hochland sammelten, aber die Grenze war lang. Sie würden auf Hinweise aus der B e völkerung a n gewiesen sein, wenn sie nicht wochenlang in den Wäldern umherirren wollten.
Ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit tat das ke i nen Abbruch. Zu viele Jahre schon gärte der Hass in ihnen, und zu lange schon suchten sie nach einer Möglichkeit, Rache für das zu üben, was Karadek i h nen angetan hatte.
Fast alle hatten ein ähnliches Schicksal erlitten wie Jolfur. Die meisten quälte der Verlust eines g e liebten Menschen. Schweigend bahnten sie sich i h ren Weg durch die wild zerklüftete Landschaft aus Gräben und Graten, die schon so manchem Spä h trupp aus Torpak zum Verhängnis geworden war, getrieben von dem Gedanken, dass der Tag der R a che nicht mehr fern sei, und erfüllt von der Erwa r tung eines Sieges über die verhassten Gardisten.
Jolfur und Bjarkar, ein hünenhafter Axtkämpfer mit zottigen rotblonden Haaren, führten die Gruppe an. Lange schwiegen sie und hingen ihren eigenen Gedanken nach, dann sagte Bjarkar: »So geht es also in den Kampf.« Sein Atem stieg als weiße Wolke in der frostklaren
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