Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
entdeckt, ich bin ja schon so gespannt.“ Ich nickte freundlich und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Frau Trudig entging meine Unruhe offenbar, denn sie schnatterte weiter darüber, ob sie einen Blumenstrauß, Schmuck oder ein Abendessen bei Kerzenschein erwarten konnte, während sie sich durch zwei eng beieinander stehenden Prospektständern quetschte, um zu dem karierten Vorhang zu gelangen.
„Denkt daran, ihr müsst spätestens eine Minute vor 18 Uhr durch die Tür treten. Seit dem Angriff letzte Nacht in Portugal hat das Senatorenhaus das Reisen durch die Türen wieder stark eingeschränkt. Pünktlich 18 Uhr werden die Portale geschlossen und dann funktionieren die Türen nicht mehr, also beeilt euch! Bezahlen könnt ihr später. Hier ist Tür Nummer 27, bitte schön!“ Wir standen vor einer verschnörkelten, gusseisernen Tür. Ich hielt meinen Ausweis an das Schloss und die Tür öffnete sich quietschend.
„Viel Erfolg!“, rief uns Frau Trudig nach, doch ich hatte schon einen entschlossenen Schritt in das Licht getan und ihre Stimme verwehte in der Bewegung, die ich durch das Nichts machte. Ein warmes Lüftchen wehte mir mit einem Mal um die Nase, als ich die Augen wieder öffnete. Wir waren aus einem riesigen Baum herausgetreten, in den die gusseiserne Tür eingelassen war und zwar direkt in einen märchenhaften Wald hinein.
„Wow!“, hörte ich Lorenz neben mir. Staunend sahen wir uns in dem tiefgrünen Gewölbe um. „Ist das das Haus der Sybillen?“
„Vermutlich ist es das?“, erwiderte ich zögernd, denn wir standen vor dem ungewöhnlichsten Haus, das ich je gesehen hatte. Selbst Konstantin Kronworth hätte es in seiner kreativsten Stunde nicht entwerfen können, es hatte keine Statik, kein System. Es war ein Wunder, dass es überhaupt hielt. Auf einem dicken, hölzernen Stamm erhob sich ein eiförmiges Gewölbe aus Lianen und Ranken, das übersät war mit Blüten und Knospen in allen erdenklichen Farben.
„Wo ist denn hier der Eingang?“ Lorenz ging um das Gebilde herum. Bevor wir weiter suchen konnten, öffnete sich vor mir eins türgroßes Loch in dem Gewirr aus Zweigen und Ranken und ein silberhelles Lachen klang heraus.
„Kommt herein, kommt herein,
weise und klug werden wir sein.“
Wir folgten der Einladung und traten nacheinander in das Haus der Sybillen. Schummeriges Licht tauchte den großen Raum in ein zwielichtiges Leuchten. Im Halbdunkel erkannte ich fünf Damen, die so dick waren, dass sie einem Gemälde von Rubens alle Ehre gemacht hätten. Sie waren in pastellfarbene Gewänder gehüllt, die über und über mit kleinen Blüten geschmückt waren und ruhten auf seidenen Sofas und Liegen. Der Raum floss über voll Blumen und der Duft, der in der Luft hing, betäubte mich und benebelte meine Sinne.
„Lorenz Silver und Selma von Nordenach,
wir sind ganz da, unser Ohr ist wach.
Kommt ruhig näher ihr Lieben,
was hat euch zu uns getrieben?“
Eine dunkelhaarige Rubensdame hatte die Worte freundlich in die schwüle Luft geflüstert. Lorenz nickte siegessicher und ich ahnte schon, dass er Liana heute Abend noch haarklein erklären würde, dass die Sybillen doch hellsehen konnten. Ungeduldig trat Lorenz von einem Bein auf das andere und ich nickte. Sollte er ruhig anfangen, er platzte ja beinahe vor Spannung.
Lorenz sprudelte sofort los: „Ich möchte wissen, ob ich endlich meine große Liebe finde und ob mein Plan, magischer Frisör zu werden in Erfüllung geht?“ Er lächelte gespannt wie ein Kind zu Weihnachten, dass es nicht erwarten konnte, alle Päckchen aufzureißen, die vor ihm lagen. Die Sybillen steckten eine Weile die Köpfe zusammen und tuschelten klingend und singend. Währenddessen verteilte sich ein feiner, feuchter Nebel im Raum, der nach Flieder roch. Mir wurde noch schummeriger und ich ließ mich im Schneidersitz auf den Boden sinken, weil ich Angst hatte, plötzlich umzukippen. Auch Lorenz ließ sich neben mich fallen und gemeinsam warteten wir auf die Prophezeiung. Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit sich veränderte, sich ausdehnte. Ich fühlte mich plötzlich eins mit mir und der Welt und saß lächelnd zwischen den betörenden Blütendüften. Lorenz begann leise neben mir zu summen und ich merkte kaum, wie das Lachen der Sybillen unsere Eintracht mit uns selbst störte. Ich schüttelte den Kopf, um wieder wach zu werden und spitzte die Ohren.
„Lorenz Silver, wir haben die Sphären durchsucht,
sei froh du bist nicht
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