Kommissar Morry - Die Todesstrasse
Überführung des Giftmörders hatte ihn beim Eintreffen in seiner Wohnung noch so stark erregt, daß er nicht sofort einschlafen konnte. Er hatte sich deshalb bequem in einen Sessel gesetzt, um den ganzen, raffiniert durchgeführten Fall noch einmal vor seinem geistigen Auge abrollen zu lassen. Hierbei waren ihm dann doch die Augen zugefallen. Mit dem Gedanken, von nun mit aller Macht den Commercial-Dock-Fall zu betreiben, war er eingeschlummert.
Nun riß ihn also das Schrillen des Telefons aus seiner unbequemen Schlaflage. Aus dem Informationsraum von New Scotland Yard, jenem einzigartig funktionierenden Zentrum in der Victoria-Street, in dem alle Fäden der polizeilichen Tätigkeiten der Neunmillionenstadt zusammenlaufen, und von wo aus ständig etwa hundert Funkstreifenwagen dirigiert werden, verlangte man den Leiter des Sonderdezernats.
Aufmerksam lauschte Kommissar Morry den sachlichen Ausführungen des Mannes im Informationsraum.
„Sir!" begann dieser, nachdem sich Morry gemeldet hatte. „Soeben erhalten wir aus dem District E 1 folgende Mitteilung. Vor einer knappen halben Stunde wurde von einem unserer Streifenwagen in Höhe des Regents- Docks ein bisher unbekannter Mann aufgefunden, der brutal zusammengeschlagen worden war. Er wurde im Krankenwagen dem Queen Eliz Hospital zugeführt. Hier wurde der Unbekannte behandelt. Vorläufige Diagnose: Rippen- und Schädelbruch."
Noch hatte der Sprecher nicht ausgesprochen, weshalb er den Kommissar angerufen und ihn in der wohlverdienten Nachtruhe gestört hatte, als Kommissar Morry bereits ahnte, welche Person man in das Queen Eliz Hospital eingeliefert hatte. Es konnte nur einer der Männer sein, die er beauftragt hatte, die Gang aufzuspüren, die in den letzten achtundvierzig Stunden ein Mitglied verloren hatte.
„Wir hätten Sie zu dieser Stunde nicht gestört, Sir", fuhr der Mann am anderen Ende der Strippe fort, „wenn nicht dieser Unbekannte mehrfach Ihren Namen ausgesprochen hätte. Aus diesem Grunde halten wir es für richtig, Sie von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen."
„Thanks!" sagte Kommissar Morry.
Einen Augenblick überlegte er, ob es zweckmäßig sei, sich selbst auf den Weg zum Hospital zu machen. Doch dann entschied er sich zunächst dafür, das Hospital erst einmal anzurufen. Noch einmal ließ er sich von dem Sprecher der Funkleitstelle bestätigen, daß sich der Mann im Queen Eliz Hospital befand. Während er dann die Nummer des Spitals wählte, entschloß er sich, noch in dieser Stunde den Verletzten aufzusuchen, sofern er vernehmungsfähig war. Bei diesem Entschluß war Morry freilich weit davon entfernt, sich allzuviel davon zu versprechen. Die Praxis hatte es allzu oft bewiesen, daß ein zu großer Optimismus in seinem Beruf nicht sehr angebracht war. Wie oft und wie schnell hatten sich zunächst positiv erscheinende Ergebnisse als unbrauchbar erwiesen. Das hatte er mehr als genug erfahren. So war er auch nicht sehr erstaunt, als ihm der Doc des Hospitals zu verstehen gab, daß vorerst an eine Vernehmung des eingelieferten Patienten nicht zu denken sei.
„Wir haben dem arg zugerichteten Mann ein Beruhigungsmittel geben müssen", erklärte der Mediziner zwar freundlich aber mit gewissem Nachdruck.
„Er schläft jetzt. Und selbst, wenn er wieder zu sich kommt, ist es noch fraglich, ob es für seinen Zustand angebracht ist, ihn mit Fragen erneut aufzuregen."
Kommissar Morry brachte trotz seines Dranges nach Klärung dieses Zwischenfalles, der vielleicht etwas Licht in den Fall Commercial- Docks bringen konnte, Verständnis für den Wunsch des Docs auf.
„Demnach sind die Verletzungen des Patienten doch ernsterer Natur? Das ist nicht nur für Ihren Patienten unangenehm! Ihnen brauche ich wohl nicht zu sagen, wie wichtig es für den Yard ist, den Patienten zu hören. Aber es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir nichts unternehmen, was dem Mann schaden kann."
Als nur ein zustimmendes Gemurmel in der Muschel am Ohr des Kommissars zu vernehmen war, fuhr Morry fort: „Dennoch werden wir in Anbetracht der Dringlichkeit nicht umhin können, einen Beamten zu Ihnen ins Spital zu schicken, der, sofern es der Zustand des Patienten erlaubt, diesem einige Fragen vorlegen wird. Bitte, veranlassen Sie, daß man diesen Beamten sofort zu dem Verletzten führt, sobald es möglich ist."
Nachdem der Arzt hierzu dem Officer seine Einwilligung gegeben hatte, fuhr er fort: „Schicken Sie Ihren Mann also her. Ich werde dafür Sorge tragen,
Weitere Kostenlose Bücher