Krieger des Lichts - Palmer, P: Krieger des Lichts
eigentlich nur ein Traum war.
Er griff sich mit bebenden Händen an den Kopf, während Cordelias Schreie weiter durch seinen Schädel hallten, und die Schuldgefühle zerrten an seinen Eingeweiden, als würde ein wildes Tier mit Zähnen und Krallen versuchen, einen Weg nach draußen zu finden.
Verflucht.
Es war Jahre, Jahrzehnte her, seitdem er das letzte Mal diesen Albtraum gehabt hatte. Er hatte angenommen, dass die Erinnerungen ihn endlich nicht mehr heimsuchen würden, doch durch die heutigen Ereignisse waren sie mit aller Macht zurückgekehrt – nachdem er das Gesicht unter der Plane gesehen hatte und die an den Pfählen festgebundenen Leichen. Wenn ihn die Vergangenheit doch bloß endlich in Ruhe lassen würde.
Wenn …
Wie viele Male hatte er das gedacht? Und es war immer so verdammt nutzlos gewesen.
Er zwang sich dazu, sich wieder hinzulegen, während er einen Arm über die Augen legte und wünschte, dass er den Anblick vergessen könnte. Wünschte, er könnte vergessen, was er getan hatte.
Wünschte wie eine Million Mal zuvor, dass er doch bloß kein solcher Mistkerl wäre.
Olivia war wie immer gleich ganz da, als sie erwachte, obwohl sich ihre Lider geschwollen und schwer anfühlten. Durch eine Lücke im Vorhang strömte Tageslicht herein – graues Licht ohne jeden Sonnenschein. Regen tröpfelte ruhig aufs Dach. Wenn sie am helllichten Tag angreifen mussten, war dafür ein regnerischer Tag am besten geeignet. Sogar die Zauberer würden sich drinnen aufhalten, während sie ihre Schandtaten ausheckten.
Das Tröpfeln des Regens wurde von Jags gleichmäßigen Atemzügen übertönt, und sie erinnerte sich, vor einigen Stunden von den verzweifelten Rufen seines Albtraums geweckt worden zu sein. Immer wieder hatte er voller Qual den Namen Cordelia gesagt.
Wer diese Cordelia auch immer sein mochte, sie war doch bestimmt der Grund für Jags Schmerz; da war Olivia sich sicher. Sie erinnerte sich daran, wie er sich mühsam aufgesetzt hatte, während Schultern und Rücken unter der Last des Albtraums gebeugt waren. Hätte sie ihn besser gekannt, wären sie sich näher gewesen, hätte sie versucht, ihm Trost zu spenden, hätte ihm zumindest eine warme Hand auf die Schulter gelegt. Aber ihr Instinkt sagte ihr, dass es dem Krieger nicht gefallen würde, wenn er wüsste, dass sie ihn in solch einem verletzlichen Moment gesehen hatte.
Sie reckte sich und gähnte, während sie ihre Glieder streckte, die sich endlich wieder stark und frei von Dämonengift anfühlten, und ihre Gedanken sich auf das richteten, was sie erwartete, und den bevorstehenden Kampf mit den Zauberern. Sie hatte keine Skrupel, Zauberer zu töten, denn sie würde nie vergessen und vergeben, dass es Zauberer gewesen waren, die die Enklave ihrer Kindheit bis auf die Grundfesten niedergebrannt hatten, sodass sie in jener schicksalhaften, schrecklichen Nacht in die Berge hatten fliehen müssen.
Und vor allem jetzt, wo die meisten Zauberer ihre Seelen verloren hatten und sich mit Satanan verbündeten.
Doch die Vorstellung, in den Kampf zu ziehen, erfüllte sie gleichermaßen mit freudiger Erregung und Angst. Denn im Gegensatz zu ihren Männern stellten Kämpfe ein Problem für sie dar, weil ihre ungewöhnliche Kraft und Schnelligkeit nicht von einem tierischen Geist herrührten, der immer noch wie ein Schatten in den meisten Therianern lebte, sondern von den Dradern. Sie saugte ihren Gegnern die Energie aus und schwächte sie damit so weit, dass sie sie überwältigen konnte.
Bei einer Schlacht auf beengtem Raum hatte sie zwei Möglichkeiten. Die eine bestand darin, ihren Gegner zu packen und festzuhalten, während sie ihm das Leben aussaugte. Leider konnte sie nur auf diese Weise ihre Nahrungsaufnahme steuern, und einen Gegner im Kampfgetümmel nicht mehr loszulassen, erwies sich häufig als schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Also würde sie auf die zweite Möglichkeit zurückgreifen müssen. Sie musste ihre Angreifer vom Ort des Hauptkampfes weglocken, fort von ihren Gefährten, sodass sie ihre Gegner aussaugen konnte, ohne dabei ihren eigenen Leuten Schaden zuzufügen. Das war das Letzte, was sie wollte – ihren Männern Schaden zufügen … oder den Kriegern des Lichts.
Sie warf einen Blick auf Jag, der mit dem Rücken auf der Tagesdecke lag. Den einen Arm hatte er ausgestreckt, sodass seine Hand über die Bettkante hing, während der andere über seinen Augen lag und sein Armreif im gedämpften Licht schimmerte. Trotz der entspannten
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