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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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bricht, klein bekommen die uns nicht.«
    Auch Dettmers freute sich: »Wer hätte das gedacht! Wir sind ja echte Kintopp-Kommunisten, halten aus, bis man uns die Pelle von den Knochen reißt.«
    Lenz nickte nur überrascht. Was geschah denn hier? Das war ja tatsächlich Solidarität, wie sie sie einst in der Schule gelernt hatten: Einen Zweig brichst du leicht, ein ganzes Bündel von Zweigen nicht …
    »Stillgestanden!« Oppel beorderte die erste Reihe aus dem Glied, und Panzerplatte und Lachtaube führten die drei nun wohl als Rädelsführer angesehenen und aus allen Fenstern mit heftigem Beifall bedachten Häftlinge ins Zellenhaus. Besorgte Blicke aus den Reihen ihrer Mitprotestierer folgten ihnen: Jetzt waren die drei Panzerplatte und Lachtaube ausgeliefert; was würde mit ihnen geschehen? Würden die beiden aufgebrachten Blauuniformierten, kaum waren sie hinter der ersten Tür verschwunden, mit ihren »sozialistischen Wegweisern« auf sie einschlagen?
    Die zweite Reihe wurde zur ersten und ebenfalls drei Schritt vor den Block befohlen. Und damit wusste nun auch Karrandasch eine Hundeschnauze hinter sich; der kleine Ex-Student, der von sich sagte, ein Held sei er nicht, sein Talent liege eher auf schöngeistigem Gebiet.
    Die Köter kläfften erneut los und zerrten an ihren Leinen – Karrandasch und seine beiden Nebenmänner wurden bleich, aber sie setzten die Füße nicht schneller.
    Wieder brandete Beifall auf, wieder wurde die erste Reihe abgeführt, drei weitere Häftlinge mussten vortreten. Darunter nun auch Franz Moll und »Schärpe« Cierpinski, der ehemalige Oberleutnant der Nationalen Volksarmee, der sich gegen diese Aktion ausgesprochen hatte. Wie würde er jetzt reagieren? Würde er seinen Hintern für eine Sache hinhalten, die nicht die seine war?
    Er hielt ihn hin, wagte nicht auszuscheren. Und auch der vor Aufregung glühende Franz Moll und der Dritte im Bunde, ein neunzehnjähriger Autodieb aus Brandenburg, beschleunigten nicht den Schritt.
    Nur wenige Meter und auch diese drei wurden weggeführt und die nächste Reihe musste vortreten. In der Mitte Hagen Burwitz aus Erfurt, ein Bibliothekar, der öfters abfällige Bemerkungen über vom Staat protegierte Neuerscheinungen gemacht hatte, weshalb eines Tages Westzeitschriften in seinem Schreibtisch gefunden wurden, die er nie zuvor gesehen hatte. Zwei Jahre wegen feindlicher Propagandatätigkeit hatte er bekommen, wollte aber im Lande bleiben. Nun durfte er noch mal so richtig studieren, in welchem Land er bleiben wollte.
    Die drei setzten die ersten Trippelschritte, da ertönte es plötzlich neben Lenz: »Bu – chen – wald! Bu – chen – wald!«
    Fabian Weiss war es, der in diesen Protestruf ausgebrochen war. Einige wenige fielen sofort mit ein, andere schlossen sich nur zögernd an, bald aber skandierten sie es alle, dieses »Bu – chen – wald! Bu – chen – wald!«.
    Auch Lenz rief mit. Warum denn nicht? Hatten die Überlebenden vom Ettersberg denn nicht einander geschworen, alles zu tun, damit es nie wieder zur Einkerkerung und Unterdrückung von Andersdenkenden kam? Cottbus war nicht Buchenwald – im Hinblick auf die vielen Millionen Toten in den KZ der Nazis ein lächerlicher, vielleicht sogar verbotener Vergleich –, aber jene Einkerkerung und Unterdrückung Andersdenkender, die es nie wieder geben sollte, sie fand statt. Und das nicht nur in Cottbus, sondern in allen Strafvollzugsanstalten dieser »Deutschen Demokratischen Republik«. Das Wort »Buchenwald« traf ins Ziel und drang noch durch die dickste Haut.
    Wieder sah Lenz zu den Strafvollzugsbeamten hin. Da standen sie nun und wollten nicht glauben, was sie zu hören bekamen. Die Rufe aber nahmen kein Ende und auch die Gefangenen in den Zellen skandierten inzwischen mit. »Bu – chen – wald! Bu – chen – wald!« Musste das nicht bis in die Stadt hinein zu hören sein?
    »Stillgestanden!« Leutnant Oppels Stimme überschlug sich. Er, der so gern den Ruhigen gab, jetzt hatte er Mühe, sich zu beherrschen und nicht einfach auf sie einzuschlagen. Und auch die anderen »Erzieher«, wie gern hätten sie sie nun niedergeknüppelt, bis keiner von ihnen auch nur noch einen einzigen Ton herausbekäme. Sie nahmen sich zusammen, weil sie wussten, dass zwei Drittel derjenigen, die hier im Kreis marschierten, eines Tages in die Bundesrepublik ausreisen und dort Bericht erstatten würden. Einen einzelnen Häftling konnten sie der Lüge bezichtigen, nicht aber einen ganzen Knast.
    Doch

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