Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
spät war und einem der Slip bereits abhandengekommen war.
Vor Virgil hatte sie viele Männer und jede Menge Sex gehabt. Manchmal war es wirklich toll gewesen, manchmal grottenschlecht. Für sie war Sex wie eine Pralinenschachtel (zugegeben, das hatte sie von Forrest Gump geklaut); man wusste nie, was man bekam. Faith mochte keine Überraschungen, und es gab nichts Schlimmeres, als nach einem edlen Champagnertrüffel zu lechzen und nur ein schnödes Orangengeleekonfekt abzukriegen.
Sie hatte seit ihrer Heirat mit Virgil mit keinem Mann mehr geschlafen. Zuerst war es ihr schwergefallen, besonders weil sie jung war und bis dahin ein aktives Sexualleben gehabt hatte, aber nachdem sie ein paar Jahre ohne Sex ausgekommen war, fehlte es ihr eigentlich nicht mehr. Jetzt, wo Virgil tot war, bezweifelte sie, dass ihre sexuellen Bedürfnisse sich mit aller Macht zurückmelden und sie überwältigen würden. Und außerdem sah sie sich einfach nicht mit einem anderen Mann.
Die Türklingel riss Faith aus ihren tiefschürfenden Gedanken über Männer und Sex. Die Travertinfliesen unter ihren nackten Füßen fühlten sich angenehm kühl an, als sie das Wohnzimmer durchquerte. Das Penthouse mit den vier Schlafzimmern hatten Virgil und sie letztes Jahr erworben, aber nur zu den seltenen Gelegenheiten genutzt, wenn es bequemer gewesen war, in der Stadt zu übernachten. Es war größtenteils mit Marmor und Fliesen verarbeitet und hatte ein ultramodernes Ambiente. Virgil hatte ihr die Einrichtung überlassen, und sie hatte weiße Ledermöbel mit massenhaft rot-violetten Kissen ausgesucht. Auf der Hauptetage verfügte
es über eine Terrasse mit Aussicht über die Elliot-Bucht, und unter dem Glasdach gab es einen Wintergarten mit Rundumblick auf die Stadt, die stark befahrenen Wasserstraßen und den Mount Rainier.
Als sie die Tür öffnete, schoss ein weißes Fellknäuel an ihr vorbei, dessen winzige Zehennägel auf den Fliesen klapperten. Faith überkam das überwältigende Bedürfnis, danach zu treten.
»Mutter.« Faith warf einen irritierten Blick zurück, als der weiße Pekinese auf ihr weißes Ledersofa hopste. »Und Pebbles.« Die bösartigste Töle des Universums. »Du hättest vorher anrufen sollen.«
»Wozu? Du hättest uns bloß ausgeladen.« Valerie Augustine zog ihren großen pinkfarbenen Koffer ins Penthouse; mit ihren übertrieben geschminkten Lippen hauchte sie Faith im Vorbeigehen links und rechts ein Küsschen auf die Wangen.
»Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht sehen will«, lenkte Faith ein und schloss die Tür. »Ich ersticke nur in Arbeit.« Sie folgte ihrer Mutter und deutete auf den Stapel Bücher, die aufgeschlagen auf dem Couchtisch aus Glas und Edelstahl lagen.
»Wofür lernst du denn?« Ihre Mutter schob den Griff in ihren Koffer und stakste mit ihren dreizehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen zur Ledercouch. Natürlich ebenfalls in Pink. Passend zu ihrer Lederhose. Sie nahm eines der Bücher in die Hand und las laut vor: » Eishockey für Dummies . Wozu liest du das? Ich dachte, du hättest die Mannschaft verkauft?«
»Ich hab mich dagegen entschieden.«
Valeries große grüne Augen weiteten sich erstaunt, und sie schüttelte ungläubig den Kopf, wobei ihre perfekt durchgestufte Farrah-Frisur durcheinandergeriet. In den siebziger Jahren
hatte irgendwer Valerie weisgemacht, sie sähe aus wie Farrah Fawcett. Sie glaubte es immer noch. »Was ist passiert?«
Sie hatte keine Lust, ihrer Mutter die ganze Geschichte zu erzählen. »Ich hab einfach beschlossen, sie zu behalten.« Sie musste daran denken, wie Landon nach ihr gegriffen hatte und Ty Savage dazwischengetreten war. Dafür war sie ihm dankbar. Fast so dankbar, um ihm zu verzeihen, dass er sie in der Presse als »Miss Januar« bezeichnet hatte.
»Na, da bin ich aber froh. Jetzt, wo der alte Scheißkerl tot ist, brauchst du eine Beschäftigung.«
»Mutter!«
»Tut mir leid, aber alt war er ja wohl.« Es war kein großes Geheimnis, dass ihre Mutter Virgil nicht gemocht hatte. Die Abneigung hatte auf Gegenseitigkeit beruht. Virgil hatte für Valerie ein hübsches monatliches Einkommen bereitgestellt, daran jedoch Bedingungen geknüpft, die Valerie verabscheut hatte, was sie aber nicht davon abhielt, die Schecks einzulösen. Eine Bedingung hatte gelautet, dass sie nicht einfach bei ihnen aufkreuzen durfte, wenn ihr danach war. »Zu alt für eine junge, schöne Frau«, fügte sie hinzu, während sie das Buch achtlos aufs Sofa warf und ihren
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