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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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grinste. »Es sei denn, sie ist tatsächlich keine Journalistin. Dann werden die Fotos ja nie veröffentlicht. Dann ist diese ganze Fotografiererei nur ein Ablenkungsmanöver.«
    Erik rief nach Jacqueline und bestellte einen weiteren Kaffee. »Sie meinen also … irgendwas stimmt nicht mit ihr?«
    Doch er musste den Gedanken fürs Erste beiseiteschie-ben, denn sein Handy meldete sich. Vetterich rief an. »Moin, Wolf! Es gibt was Neues. Spuren von einem unserer alten Bekannten!«
    »Am Fensterrahmen des Baubüros?«, fragte Erik atemlos.
    Vetterich gab ein zustimmendes Grunzen von sich. »Einige Spuren sind weiterhin nicht zuzuordnen. Aber es gibt jemanden, der den Fensterrahmen ganz sicher angefasst hat: Tove Griess!«

M amma Carlotta warf einen langen Blick auf den Dorfteich, der verlassen dalag. Kein Mensch auf den Wegen, die um ihn herumführten, alle Bänke waren leer. Der Nieselregen, die Kälte und der Wind hatten die Feriengäste in ihre Unterkünfte oder in die Cafés getrieben, nur am Strand, direkt an der Wasserkante, gab es immer Leute, die dem Wetter die Stirn boten und sich gegen den Wind stemmten. Viele suchten es anscheinend, dieses Aufbegehren gegen die Naturgewalten. Ihnen zu trotzen erfüllte sie mit großer Befriedigung. Aber natürlich nicht am Dorfteich, wo es Kälte, Regen und Wind aus zweiter Hand gab und schlechtes Wetter deswegen nur lästig war.
    Auch auf dem Friedhof war Mamma Carlotta allein. Sie band die Kapuze unter dem Kinn fest zusammen und schritt den Hauptweg entlang zu Lucias Grab. Das kleine Rund vor dem Grabstein, das Erik mit weißen Astern bepflanzt hatte, war mit Blättern übersät, die sie entfernte, während sie Lucia begrüßte. »Piccola mia, ich hatte gerade ein schreckliches Erlebnis. Beim Bäcker! Du weißt, ich mache es genauso wie du: Ich bestelle das Brot, das ich am Abend haben will, damit der Bäcker es mir zurücklegt. Und stell dir vor …«
    Während eine Verkäuferin Mamma Carlottas Wunsch notierte, wandte sich eine Frau, die nach ihr den Laden betreten hatte, an den Bäcker, der in der Tür der Backstube erschienen war.
    Mamma Carlotta wollte sich gerade verabschieden, da fiel ihr das merkwürdige Gebaren des Bäckers auf. Er, der jeden Kunden freundlich, beflissen und oft sogar ehrerbietig nach seinen Wünschen fragte, sah die Frau mit verschlossenem Gesicht an, als wäre sie ihm lästig.
    »Ein Kümmelbrot, bitte!«
    »Kümmelbrot ist aus«, gab der Bäcker zurück.
    Die Frau zeigte auf sein Brotregal. »Da liegen drei Stück!«
    »Die sind alle vorbestellt«, gab der Bäcker zurück.
    Die Frau nickte, als verstünde sie plötzlich, warum sie kein Brot bekam. »Es gibt noch andere Bäcker in Wenningstedt«, sagte sie patzig. »Meinen Sie, ich merke nicht, dass ich nur noch Brot vom Vortag bekomme?«
    »Schön, dass Sie es merken«, gab der Bäcker ungerührt zurück. »Dann haben Sie sicherlich auch schon gemerkt, dass ich meine Ergotherapie mittlerweile woanders mache. Und wenn Sie Ihre Praxis erst im neuen Gesundheitshaus aufgemacht haben, dann werden auch viele andere nicht mehr zu Ihnen kommen.«
    Die Frau wandte sich wortlos ab und verließ ohne Gruß den Laden.
    Mamma Carlotta starrte mit offenem Munde hinter ihr her. »War das … wie heißt sie noch gleich?«
    »Freda Arnsen«, entgegnete der Bäcker und schaffte es immer noch nicht zu lächeln. »Erst große Töne spucken, in der Bürgerinitiative mitmischen, auf die Investoren schimpfen und dann alles vergessen, wenn es um den eigenen Vorteil geht!«
    Mamma Carlotta hatte sich daraufhin ähnlich fortgeschlichen wie Freda Arnsen. Eigentlich hatte der Bäcker noch über seine Schwester reden wollen, die in der Türkei verheiratet war und dort viel Erfolg mit einem Fischrezept hatte, das Mamma Carlotta dem Bäcker vor seiner letzten Türkeireise mitgegeben hatte. Aber sie fühlte das Wort »Verräterin« auf ihrer Stirn und schaffte es nicht, ein harmloses Geplauder mit dem Bäcker zu beginnen.
    »Wenn ich nur wüsste, Lucia bambina, wie ich Niccolò dieses Bistro ausreden könnte! Ich habe Angst, demnächst auch so behandelt zu werden wie Freda Arnsen. Aber kann ich riskieren, dass Niccolò sein Geld bald mit Handstand und Salto auf dem Seil verdient? Wenn ihm dabei etwas zustößt, werden mir alle Vorwürfe machen!«
    Sie legte die Mappe mit den Unterschriftenlisten neben den Grabstein, richtete sich auf, stöhnte leise und griff sich in den Rücken. »Aber das ist noch nicht alles, cara, was mir

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