Kuschelmuschel
kalt.
hatte sie Ed immer wieder gefragt.
, pflegte Ed zu antworten.
Die heutigen Texaner schienen aus einem egoistischen Willen heraus zu leben, Ellbogenmenschen, die stießen und gestoßen wurden. Jeder stieß hier jeden. Und ein Fremder konnte nicht leicht in ihrer Mitte beiseite treten und energisch verkünden: «Ich jedenfalls will niemanden stoßen und auch nicht gestoßen werden. » Das war unmöglich. Und besonders unmöglich in Dallas. Von allen Städten in Texas war Dallas diejenige, die Anna immer am meisten verstörte. Es war eine gottlose Stadt, dachte sie. Eine gierige, gewalttätige, gottlose Stadt. Eine Stadt, in der das Geld Amok lief, und weder falscher Glanz noch falsche Kultur, noch sirupsüße Reden verbargen die Tatsache, dass die große goldene Frucht innen verfault war.
Anna lag noch immer, in ihr Badetuch gehüllt, auf dem Bett. Diesmal war sie in Dallas allein. Kein Ed war da, der sie mit seiner einzigartigen Kraft und Liebe umgeben hätte. Und vielleicht lag es daran, dass ihr plötzlich ziemlich unbehaglich zumute war. Sie zündete sich wieder eine Zigarette an und wartete darauf, dass das Unbehagen schwand. Doch es schwand nicht, sondern verstärkte sich noch. Ein harter kleiner Angstknoten schien ihr den Magen abzuschnüren, und sie spürte den Druck von Minute zu Minute stärker werden. Es war ein unangenehmes Gefühl. So wie man es manchmal erlebte, wenn man nachts allein im Haus war und im Nebenzimmer Schritte hörte oder zu hören glaubte.
Hier waren es Millionen Schritte, und sie hörte sie alle.
Sie stand auf vom Bett und trat, noch immer in ihr Badetuch gehüllt, ans Fenster. Ihr Zimmer befand sich im 21. Stock, und das Fenster stand offen. Die große Stadt lag blass und milchiggelb in der Abendsonne. Die Straße unten war vollgestopft mit Automobilen. Der Gehsteig wimmelte von Fußgängern. Alle eilten heimwärts von der Arbeit, drängten sich und wurden gedrängt. Sie sehnte sich nach einem Freund. Wie gern hätte sie gerade in diesem Augenblick mit jemandem gesprochen! Wie gern ein Haus gekannt, das sie hätte aufsuchen, eine Familie, die sie hätte besuchen können - eine Frau und ihren Mann, eine Familie, in der es Kinder gab und Spielzimmer und wo man sie, mit offenen Armen, schon an der Tür mit dem Ruf empfing: «Anna, wie schön, dass du kommst! Wie lange kannst du bleiben: eine Woche, einen Monat, ein Jahr? »
Und plötzlich, wie es in solchen Situationen manchmal geht, machte es «klick» in ihrem Gedächtnis, und sie sagte laut: «Conrad Kreuger! Großer Gott im Himmel! Er lebt ja hier in Dallas... Jedenfalls hat er früher hier gewohnt... »
Sie hatte Conrad seit ihrer gemeinsamen Schulzeit in New York nicht mehr gesehen. Damals war sie ungefähr siebzehn, und Conrad war ihr Beau, ihre große Liebe, ihr ein und alles gewesen. Über ein Jahr lang waren sie zusammen gegangen, sie hatten sich ewige Treue geschworen und sich vorgenommen, bald zu heiraten. Dann war plötzlich Ed Cooper in ihr Leben getreten, und das hatte natürlich das Ende ihrer Romanze mit Conrad bedeutet. Doch Conrad schien den Bruch nicht allzu schwer genommen zu haben. Zerschmettert hatte ihn das jähe Ende ihrer Liebe ganz bestimmt nicht, denn kaum einen oder zwei Monate später hatte er schon mit einem anderen Mädchen aus ihrer Klasse angebändelt... Wie hieß sie doch noch?
Ein großes, vollbusiges Mädchen mit flammend rotem Haar und einem außergewöhnlichen Namen, einem altmodischen Namen. Wie war er nur? Arabella? Nein, Arabella nicht. Aber bestimmt irgend etwas mit Ära... Araminty? Ja, das war es! Araminty. Und nach einem Jahr hatte Conrad Kreuger geheiratet und war mit ihr nach Dallas, seinem Geburtsort, gezogen.
Anna ging zum Nachttisch und nahm das Telefonbuch zur Hand.
Kreuger, Conrad P., M. D.
Ja, das war Conrad. Er hatte immer gesagt, er wollte Arzt werden. Im Buch stand die Nummer der Praxis und die der Privatwohnung.
Ob sie ihn anrufen sollte?
Warum eigentlich nicht?
Sie sah auf ihre Armbanduhr. Zwanzig nach fünf. Sie nahm den Hörer ab und nannte der Vermittlung die Nummer der Praxis.
«Praxis Doktor Kreuger», meldete sich eine Mädchenstimme.
«Guten Tag», sagte Anna. «Ist Doktor Kreuger zu sprechen?
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