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Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Titel: Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. L. Grey
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Sie mustert mich mit einem höflichen, fragenden Lächeln. Ich überlege, ob ich sie direkt darauf ansprechen soll. Warum sind Sie an die Ladentheke gekettet? Aber das hört sich ziemlich dämlich an. Irgendwas entgeht mir hier offenbar.
    Dann kapiere ich es endlich. Natürlich! Sie steht auf S/M und Sklaverei. Davon habe ich schon gehört. Manchmal gehen diese Leute so in ihrem Fetisch auf, dass er mit ihrem alltäglichen Leben verschmilzt. Wenn man es recht bedenkt, ist es eine Art Spiel. Es wundert mich nur, dass die Geschäftsführung ihr erlaubt, diese Kette auch im Laden zu tragen. Das ist nicht gerade sonderlich professionell. Aber wahrscheinlich lässt sich der Geschäftsführer in so einem wenig besuchten Laden höchstens einmal in der Woche blicken.
    »Ähm«, sage ich, um mitzuspielen. »Essen Sie manchmal etwas? Oder gehen was trinken?« Meine Arbeit wird wesentlich erträglicher sein, wenn ich mich in den Pausen mit jemand Nettem treffen kann. Mit jemandem, der nicht in dieser blöden Buchhandlung arbeitet.
    »Ja. Ich bekomme eine Flüssigkeitspause zwischen den Schichten drei und vier und eine Speisepause zwischen den Schichten sieben und acht.«
    Okaaay. »Okay. Gut. Müssen Sie morgen arbeiten?«
    »Wie meinen Sie das, Sir?« Sie streicht sich das Haar hinters Ohr.
    Ich lächle, lache, tue so, als sei ich in ihrer Szene zu Hause. Entweder sie verarscht mich nach Strich und Faden oder sie flirtet auf eine kokette Weise mit mir, die ich nicht kapiere.
    Ich nehme mein Handy und stecke es ein. »Tja«, sage ich, weil ich absolut nicht weiß, wie mein nächster Schritt aussehen soll. »Dann bis demnächst.«
    »Beehren Sie uns bald wieder, Sir«, entgegnet sie. »Ich würde mich freuen, Ihnen behilflich zu sein.«
    »Äh. Sicher, danke.«
    Ich gehe in Richtung Ausgang 9 und denke über ihre Worte nach. In Filmen sagt die flirtende Dame so etwas normalerweise mit einem verführerischen Hochziehen der Augenbraue oder dergleichen. Nicht so das S/M-Telefonmädchen. Keine Regung. Aber wahrscheinlich gehört das zu ihrem Spiel. Faszinierend.
    Der Eingang ist immer noch verriegelt. Heilige Scheiße, Mann! Was ist denn heute nur los? Ist der Papst entführt worden, als er unterwegs zu Only Books war, um Bibeln zu kaufen? Wurden der Präsident und seine Frau bei einem Amoklauf als Geiseln genommen? Ich schaue auf mein Handy. 09:92 . Ich hätte das Mädchen fragen sollen, ob der Laden auch Reparaturen durchführt. Ein guter Grund, ihr noch mal einen Besuch abzustatten.
    Ich gehe am Charles-Pratt-Juwelierladen vorbei, um dort einen Blick auf die Uhren zu werfen. Das hilft mir auch nicht weiter – alle Uhren sind auf unterschiedliche Zeiten eingestellt. Im letzten Fenster erregt ein Werbeplakat meine Aufmerksamkeit. Was soll das denn sein? Im ersten Moment glaube ich, eine typische Wunschtraum-Anzeige zu sehen: eine weiße Jacht, behangen mit Lichterketten, eine prächtige mediterrane Abenddämmerung im Hintergrund. Aber ausgestreckt auf dem Deck im Vordergrund rekelt sich eine knochendürre Frau im Bikini und präsentiert Pratts Schmuck. Das Handgelenk, an dem sie ihre diamantbesetzte Uhr trägt, endet in einem Stumpf.
    Das Model muss irgendeine scheißberühmte Paralympionikin oder so was sein, aber ... na ja. Und je länger ich das Bild anstarre, desto übler wird mir, berühmte Sportheldin hin oder her. Die Frau ist so mager, dass ihre Bikinihose nicht einmal richtig am klapperdürren Becken anliegt und man den Ansatz ihres drahtigen Schamhaars erkennt. Ein weiteres Beispiel für eine ziemlich in die Hose gegangene Werbekampagne.
    Ein Hauch Kanalisationsduft steigt mir in die Nase und bringt mich zum Würgen. Was zum Teufel ... doch dann wird mir klar, dass ich es selbst bin. Obwohl ich mein T-Shirt nach unserer Rückkehr notdürftig gewaschen habe, stinke ich immer noch erbärmlich. Bei Only Books haben wir noch einen Stapel alter Werbe-T-Shirts, also mache ich mich dorthin auf den Weg. Inzwischen sind noch einige weitere Geschäfte geöffnet worden und ich sehe sogar ein paar Kunden herumspazieren, die wegen der Abriegelung hier festsitzen. Wahrscheinlich wohnen sie in den Apartments der Highgate Mall.
    Typisch für frühmorgendliche Shopper sind die meisten von ihnen Freaks und Versager. Fett, hässlich, mager, verkrüppelt, amputiert oder einfach nur schräg. Die Art von Leuten, die man nie auf Partys sieht. Von meiner Arbeit im Buchladen kenne ich solche Leute nur zu gut. Vor allem an den Wochenenden sieht

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