Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
oder so was?
Jetzt, mit frisch gewaschenem Arsch und zurück am Arbeitsplatz, lösen sich die Angst und der Dreck der letzten ein, zwei Tage auf wie ein böser Traum. Als ich die Bilder von gepfählten Frauen, von Leuten, die in rohes Fleisch gewickelt über Krokodilgruben hängen, von chinesischen Soldaten, denen Bambuspflanzen unter den Fingernägeln wachsen, von Arabern, die der Wasserfolter unterzogen werden, durchblättere, versuche ich mich daran zu erinnern, was ich dort unten gesehen habe, aber ich habe es nicht mehr so deutlich vor Augen wie diese Bilder hier.
Fast glaube ich, das Ganze ist nur ein schlechter Traum gewesen, eine Ausgeburt meiner überreizten Fantasie. Fast. Aber dann betrachte ich die hässlichen blauen Flecke auf meinen Beinen, fühle die anhaltende Übelkeit in meinen Innereien und rieche die schwachen Überreste dieses widerlichen Kanalwassers auf meiner Haut.
Ich lege das Buch zur Seite. Noch immer ist es totenstill im Büro. Einen Moment lang befürchte ich, dass der Anzugtyp hereinkommen und mich sehen könnte, aber irgendwie ist es mir auch egal. Josie, Bradley, Katrien – das wäre schon sehr peinlich, aber die sind nicht hier. Ich furze tief ins Polster von Bradleys Stuhl und schmökere weiter.
Der nächste Bildband trägt den Titel Fashion Today . Auf dem Cover ist eine Parodie einer Calvin-Klein-Unterwäschereklame abgebildet. Drei Frauen und zwei Männer. Zwei der Frauen sind spindeldürr mit haarigen Beinen und Hängetitten mit spitzen Nippeln, die dritte ist enorm fett und irgendwie grün. Die beiden Männer haben beeindruckende Beulen in ihren Unterhosen, blutunterlaufene Augen, schwabbelige Bäuche und haarige Brustkörbe. Einer der Männer hat eine ungesunde violette Gesichtsfarbe, so wie der Admiral, der andere ist unter seinen Haarbüscheln blass weiß. Der violette Mann packt der Frau vor ihm in den Schritt. Das muss ein Insiderwitz für Werbetreibende oder Künstler sein. Mir fällt das verstümmelte Beinahe-Skelett im Juwelierladen ein.
Meine Jeans ist jetzt schon etwas trockener, und als ich sie noch ein bisschen auswringe, erhasche ich aus den Augenwinkeln eine schnelle gelbe Bewegung. Und noch einmal. Es ist Josie! Mein Gott, was für eine Erleichterung, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Ich wirbele herum, doch dann fällt mir ein, dass ich nichts weiter als ein Only-Books-T-Shirt und meine Socken trage. Ich ducke mich hinter den Schreibtisch und zwänge mich mühsam in meine feuchte Hose. Als ich mich wieder erhebe und im Büro umschaue, ist niemand da. Wahrscheinlich ist Josie nur kurz hereingehuscht, hat ihre Tasche abgelegt und ist dann in den Laden gegangen.
Ich binde meine Schuhe zu und gehe hinaus in den Verkaufsraum. Dort wartet nach wie vor nur der Androidenbubi hinter der vorderen Kasse.
»Guten Morgen, Sir. Was kann ich für Sie tun?«, sprudelt es wie eine Beschwörungsformel aus ihm heraus, sobald ich in seine Reichweite gelange.
»Hi, sorry, haben Sie Josie gesehen? Ich muss sie was fragen.«
»Entschuldigen Sie bitte, Sir?«
»Josie? Haben ... Sie ... Josie ... gesehen?«
Er wendet sich seinem Computermonitor zu. »Lassen Sie mich nachschauen«, sagt er.
»Schon gut. Irgendeine Ahnung, wann die Abriegelung aufgehoben wird?«
»Abriegelung?«
»Wann wird das gottverdammte Einkaufszentrum wieder geöffnet?« Ich weiß, ich sollte mein Temperament zügeln, aber mein Gott. Ist der Typ schwachsinnig oder was?
»Geöffnet? Das Einkaufszentrum ist immer geöffnet, Sir.«
»Und wo ... ach, egal.« Ich beiße mir auf die Zunge und verlasse den Laden.
»Sie da! Brauner! Stehen bleiben!«
Oh, Scheiße! Admiral Wichtig hat mich gefunden. Einen Moment lang denke ich, das kann nicht sein Ernst sein. Ich habe nichts getan. Aber er zieht eine Pistole aus dem Holster. Mein benommener Verstand braucht einen Augenblick, um zu registrieren, dass diese dämliche Knarre wie eine alte Steinschlosspistole aussieht. Ich warte nicht ab, ob sie funktioniert.
Kapitel 15: RHODA
Der Geruch bringt mich wieder zur Besinnung.
Es ist ein vertrautes, angenehmes Aroma, das mich aus irgendeinem Grund an meine Kindheit erinnert. Einen Moment lang gelingt es mir nicht, es einzuordnen – dann habe ich es: Popcorn!
Mein Magen grummelt. Ich mag ja traumatisiert sein und definitiv am Rande eines Nervenzusammenbruchs stehen, aber ich bin auch halb verhungert und mein leerer Magen hat nicht die Absicht, mich das vergessen zu lassen. Meine Schienbeine pochen da, wo ich sie
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