Laurins Vermächtnis (German Edition)
zu finden, die für Historiker interessant sein könnten, vielleicht Hitlers Tagebücher oder etwas in der Art.“ Er habe nun nicht gewusst, was er mit dem Gold anfangen sollte, wem er davon erzählen, wem er es übergeben könnte. Schließlich sei klar gewesen, dass die Reichsbank-Goldbarren kein legal erworbenes Vermögen gewesen seien, sondern Kriegsbeute aus aller Herren Länder. Er habe gefürchtet, wegen des Goldes auch nach Jahren noch zur Verantwortung gezogen zu werden. Deshalb habe er mit seiner Frau vereinbart, das Geheimnis zu seinen Lebzeiten zu bewahren. „Doch Du, Rainer“ , endete der Brief, „bist ein unbelasteter Mann. Entscheide, wie mit dieser Sache umgegangen werden soll. Auf jeden Fall wirst weder Du noch wird irgendjemand anderes aus der Familie deswegen Schaden erleiden müssen. Der Letzte, den man vielleicht hätte zur Rechenschaft ziehen können, ist nun nicht mehr. Sollst Du Deinen Bruder einbeziehen? Auch das wirst Du selbst entscheiden. Ich hatte mir diese ganzen Widerlichkeiten nicht gewünscht. Nicht Stalingrad, nicht die Falschmünzer, nicht den Eichmann und nicht den Goldhaufen. Und auch, dass ich meinen eigenen Sohn, Deinen Vater, würde beerdigen müssen, war nicht Teil des Plans. Dennoch war mein Leben reich: meine Heimat, meine Frau, meine so verschiedenen Enkelsöhne. Sei gewiss: Ich bin in Frieden gestorben.“
Matthias musste schwer schlucken. Dass das Schicksal seinem Großvater noch mehr, als er immer schon wusste, auf die Füße getreten war, war eine noch immer frische Erkenntnis. Dazu kam die kühle Rationalität dieses Schreibens an Rainer, die er zu seines Großvaters Lebzeiten so nicht erlebt hatte und der Schmerz, nicht ebenfalls einen Abschiedsbrief von Nonno bekommen zu haben.
In dem Moment kam Rainer wieder zurück ins Büro; er hatte ein gutes Gespür dafür gehabt, wie lange sein Bruder brauchen würde, den Brief zu lesen.
„Nun, was sagst Du?“, fragte er, während er sich wieder an den Schreibtisch – genauer gesagt: auf den Schreibtisch – setzte, mit den Füßen auf dem Stuhl.
„Ich weiß nicht, keine Ahnung.“ Die Dinge entwickelten sich gerade schneller, als sich Matthias einen Reim auf sie machen konnte.
„Wahrscheinlich hätte ich Dir wirklich von alledem erzählen sollen. Aber zuerst wollte ich Dich nicht belasten und die Situation für mich selber analysieren und später habe ich das Thema einfach verdrängt.“
„Wieso ‚verdrängt‘? Findest Du, Nonno hat sich die Hände schmutzig gemacht?“
„Nein, das nicht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er irgendeine Wahl hatte. Das Problem ist ein anderes: Wir können nicht einfach bei einem Gericht oder bei der Regierung oder sonst wo anrufen und sagen: ‚Ach übrigens, wir haben ein paar hundert Kilo Nazi-Gold im Keller herumliegen, kann das bitte mal jemand abholen?‘. Auch uns könnte das noch einen Riesenärger bereiten, von wegen Unterschlagung und so. Die stellen uns womöglich das ganze Hotel auf den Kopf. Die Zeitungen schreiben dann vielleicht von der ‚Nazi-Herberge‘ oder so und wir bekommen keine Gäste mehr, oder nur solche, die wir nicht haben wollen.“
„Woher hätten wir denn von den ganzen Kisten wissen sollen? Wie kommst Du denn drauf, dass uns aus dieser uralten Geschichte heute noch jemand einen Strick drehen würde?“
„Ich hab’ Deinen alten Freund Paul um Rat gefragt. Der war doch mal bei der Guardia di Finanza und kennt sich mit so was aus. Und seit er den Dienst quittiert hat, bringe ich ihn mit so was ja nicht mehr in einen Gewissenskonflikt.“
Paul! Sein Schulfreund Paul Moroder, mit dem er erst vor wenigen Tagen gesprochen hatte. Matthias wurde ganz blümerant zumute. Paul hatte ihn quatschen lassen und ganz überrascht getan. Aber jetzt wurde ihm wenigstens klar, warum er so nervös und herrisch gewirkt hatte.
„Hör zu, Mattes“, sagte Rainer, „ich gebe zu, das ist alles extrem unglücklich gelaufen und ich kann verstehen, dass Du nach dem, was Nonna zu Dir gesagt hat, das Gefühl bekommen musstest, dass hier irgendwas nicht ganz koscher ist. Ich mache Dir einen Vorschlag: Das Zeug liegt schon seit über 60 Jahren bei uns unter der Bibliothek. Auf ein bisschen Zeit mehr kommt es nun wirklich nicht an. Wir holen uns Rat, zum Beispiel bei einem Anwalt und entscheiden dann gemeinsam in Ruhe, was zu tun ist. Vielleicht bekommen Greta und Du ja mal Kinder, und dann musst Du denen nicht auch so ein übles Erbe hinterlassen.“
„Das hört sich
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