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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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und versuchten stattdessen die typische Glasgower Tonlosigkeit aus jeder Silbe zu verbannen, indem sie diese auf brutalste Weise folterten: Kavallerie wurde zu Kävällerie, Bar zu Bär. Die Frau, die an die Tür kam, war die Großinquisitorin dieser Folterkunst, der weibliche Torquemada der Vokale. Sie war eine kleine, unscheinbare Hausfrau Ende dreißig mit stumpfem, rötlich-blondem Haar und einem frostigen Gebaren. Aus dem Haus hörte ich Kinderlaute.
    »Känn ich Ihnän hälfän?«, fragte sie.
    »Guten Tag, Ma’am. Mein Name ist Wilbur Kaznyk. Ich bin hier drüben auf Urlaub aus den Staaten und hoffte, eine alten Kumpel von mir zu treffen. Einen Kriegskameraden. Frank Harris. Ich habe seine genaue Adresse nicht, aber ich weiß, dass er hier auf der Albion Street wohnte. Jemand hat mir gesagt, er hat sein Haus verkauft und ist umgezogen. Ich glaube, Sie haben sein Haus gekauft.«
    Einen Augenblick lang beäugte sie mich misstrauisch. Dann rief sie über die Schulter in den Flur: »Hääänry ... hier ist ein Männ, der näch einem Fränk Härris sucht.«
    Henry erschien neben seiner Frau. Er war ein kleiner Maulwurf von Mann hinter dicken Brillengläsern. Ich wiederholte, was ich seiner Frau gesagt hatte.
    »Das war nicht sein Haus«, sagte Henry. »Wir haben es von einer Mrs. McGahern gekauft. Sie war offenbar eine junge Kriegerwitwe.«
    »Sind Sie Mrs. McGahern begegnet?« Ich strapazierte die Glaubwürdigkeit meines Ansinnens auf Äußerste. »Ich meine, vielleicht hat sie das Haus von Frank gekauft und hat eine Nachsendeadresse.«
    »Wir häben Mrs. McGäyhärn nie kännän gälärnt«, fuhr Henrys Frau fort. »Sie wär bereits ausgezogen. Der gänze Verkauf wurde von Mäson und Brodie äbgewickelt, ihrän Änwälten.« Und Mason und Brodie hatten mir die Anschrift gegeben. »Vielleicht sollten Sie die frägen. Die Känzlei ist auf der St. Vincent Street. Guten Täg.«
    Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu. So viel zur Brüderlichkeit übers Meer hinweg. Aber wenigstens wusste ich jetzt, dass ich die richtige Adresse hatte. Ich war mir außerdem ziemlich sicher, dass Tam McGahern keine geheime Ehe geführt hatte. Um von Mason und Brodie zu erfahren, was ich wissen wollte, musste ich mir etwas einfallen lassen.
     
    Ich überlegte, zum Horsehead zu gehen, sobald es aufmachte, und mir eine Pastete mit einem Bier zur Brust zu nehmen, aber ich musste immerzu an Hammer Murphys Fleischfabrik denken. Deshalb entschied ich mich für ein frühes Abendessen auf der Byres Road. Das überteuerte Gebäck war zu süß. Die Rationierung wurde stufenweise abgebaut, und seit Neuestem brauchte man keine Zuckermarken mehr; der plötzliche Überfluss hatte zur Folge, dass man es mit dem Zuckern zu gut meinte. Ich saß am Fenster und beobachtete, wie die Welt – oder zumindest der Verkehr auf der Byres Road – an mir vorbeizog. Während ich meinen Tee trank, überlegte ich, wie ich zu allem stand. Draußen schien die Sonne auf die Autos und die Menschen, die mit der überschäumenden Fröhlichkeit presbyterianischer Prediger an der Kneipe vorbeigingen. An einem britischen Sonntag plagte mich immer das schlimmste Heimweh nach Kanada.
    Ich traf eine Entscheidung, und nachdem ich gezahlt hatte, stieg ich in meinen Wagen und fuhr nach Bearsden. Ich parkte, wo ich schon einmal geparkt hatte, und ging zur Auffahrt des Andrews’schen Anwesens. Ein nerzfarbenes MG TF Kabrio schoss auf die Straße hinaus, und ich duckte mich außer Sicht hinter einen überhängenden dichten Strauch. Hinter dem Steuer erkannte ich die blonde Frau, die ich am Smogabend zusammen mit Lillian Andrews gesehen hatte, und ich war mir ziemlich sicher, dass Lillian auf dem Beifahrersitz saß. Ich wartete, bis die Frauen auf die Drymen Road abgebogen waren; dann ging ich weiter zum Haus.
    John Andrews kam persönlich an die Tür. Er trug ein Hemd mit offenem Kragen und Halstuch, und sein blassblauer Sweater betonte einen Bauch, der nicht betont zu werden brauchte. Weil er meine Anrufe abgewiesen hatte, rechnete ich damit, dass er erstaunt reagierte, mich zu sehen, vielleicht sogar wütend. Doch er sah erschrocken aus. Und ängstlich.
    »Was wollen Sie, Lennox?«
    »Wir müssen reden, Mr. Andrews.«
    »Unsere Geschäftsbeziehung ist beendet. Das haben wir bereits besprochen. Ich habe meine Frau heil und gesund zurück.«
    Ich hielt den Umschlag hoch. »Wir müssen über das hier reden, Mr. Andrews. Ich fürchte, es ist wichtig. Darf ich

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