Leuchtende Sonne weites Land - Roman
langsamer als früher, aber sein messerscharfer Verstand funktionierte immer noch einwandfrei. Er spürte jeden Ausreißer im Nu auf und erkannte einen untreuen Ehepartner auf dreißig Schritt. Seine Haare waren kurz nach seinem fünfzigsten Geburtstag silbergrau geworden, genau wie sein kurz gestutzter Bart. Seinen lebhaften blauen Augen jedoch entging nichts, sie waren so scharf wie damals, als er als Fünfzehnjähriger seine Ausbildung in der Privatdetektei Steele begonnen hatte. Sein Beruf war sein Leben. Er hatte nicht vor, sich jemals zur Ruhe zu setzen und angeln zu gehen oder was Ruheständler sonst so machten.
»Ja, in der Tat«, erwiderte er und stellte Henry ein kaltes Bier hin.
Henry war erleichtert. »Prost!«
Er schlürfte den Schaum von seinem Glas, trank es dann in großen Zügen gierig halb aus und seufzte. Was für eine Wohltat! In dieser Hitze ging nichts über ein kühles Bier.
»Wissen Sie, ich bin jetzt seit fast fünfzig Jahren in diesem Geschäft«, fuhr Brent fort. »Ich hätte nicht gedacht, dass mich noch irgendetwas überraschen kann, aber Ihnen ist das gelungen, Mr. Walters.«
»Henry, bitte … Ich verstehe nicht ganz.«
»Darf ich offen zu Ihnen sein, Henry?«
»Ich bitte darum.«
»Ich bin unzählige Male von Frauen beauftragt worden, ihre Ehemänner aufzustöbern, weil diese ihren Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen sind. Aber noch nie hat mich ein Mann engagiert, damit ich seine künftige Exfrau ausfindig mache, damit er ihr eine Abfindung zahlen kann. Das ist wirklich einmalig.«
Brent musterte den Mann an seiner Seite neugierig. Entweder war Henry sehr ehrenwert oder sehr dumm. Oder aber er litt unter massiven Schuldgefühlen. Und falls Letzteres der Fall war, war eine andere Frau im Spiel. Dann allerdings stünde ihm noch eine Menge Ärger ins Haus, das wusste Brent aus langjähriger Erfahrung.
»Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich das einmal tun würde«, gestand Henry. »Haben Sie sie gefunden?«
»Ich glaube, Ihre Frau lebt in den Flinders Ranges auf Wilpena Station.«
Henry glaubte, sich verhört zu haben. Er wusste, dass eine Station in Australien eine große Farm oder Ranch war, meistens irgendwo in einer gottverlassenen Gegend. »Was ist Wilpena Station, und wo liegt dieser Ort?«, fragte er verdutzt.
»Das ist eine Schaffarm in South Australia. Eine erfolgreiche, nach allem, was ich gehört habe, obwohl sie natürlich auch von der Dürre betroffen ist.«
»Eine Schaffarm? Das kann nicht sein. Was soll meine Frau auf einer Schaffarm?«
Henry hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Da Jacquelines einziges großes Talent das Geldausgeben war, hatte er vermutet, dass sie entweder in einem Einzimmerapartment in der Stadt wohnte und in einem Damenbekleidungsgeschäft arbeitete oder aber auf öffentliche Fürsorge angewiesen war, weil sie keinen Beruf erlernt hatte und niemand sie einstellen wollte.
»Anscheinend arbeitet sie dort als Haushälterin. Sie fand die Stelle durch eine Arbeitsvermittlung in Port Adelaide.« Brent warf einen Blick in seine Notizen. »Die Agentur Cavendish.«
Eine Arbeitsvermittlung war immer ein guter Ansatzpunkt, wenn man jemanden suchte, vor allem neu Zugewanderte, die keine Angehörigen im Land hatten. In Port Adelaide gab es dreidavon, durch einen Zufall hatte er gleich bei der ersten Glück gehabt.
Henry klappte die Kinnlade herunter. Dann lachte er schallend.
Brent sah ihn verblüfft an.
»Entschuldigen Sie.« Henry wischte sich Lachtränen aus den Augenwinkeln, schüttelte den Kopf und trank dann sein Bier aus. »Sie müssen die falsche Jacqueline Walters erwischt haben. Meine Frau kann sicherlich eine Haushälterin einstellen, aber die Vorstellung, dass sie selbst als eine arbeitet, ist einfach zu komisch.«
»In den Unterlagen, die sie in der Agentur ausgefüllt hat, nennt sie sich Miss Jacqueline Walters«, fuhr Brent unbeirrt fort.
»Sehen Sie? Ich sage Ihnen doch, Sie haben die Falsche erwischt. Jacqueline würde so etwas nie machen.«
Zerstrittene Eheleute begingen oft den Fehler, etwas für ausgeschlossen zu halten, oder, im Gegenteil, als selbstverständlich zu betrachten. Auch das wusste Brent aus Erfahrung. »Ich überprüfe die Identität der Personen, die ich suche, immer mehrfach. Ihre Frau hat sich für ein Jahr als Haushälterin verpflichtet.«
»Das ist nicht meine Frau, so glauben Sie mir doch«, beharrte Henry.
Brent ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Sie hat zwar kein
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