Leuchtende Sonne weites Land - Roman
zwar nicht begeistert von der Vorstellung, in dem nassen Mist herumzustapfen, aber wenigstens hatte sie inzwischen ihre Angst vor den Hennen verloren.
»Ich mach das schon«, sagte Geoffrey. Im gleichen Moment ließ ein gewaltiger Donnerschlag das Haus erzittern. Der Junge schreckte zusammen.
»Lass nur, Geoffrey, das macht mir nichts aus«, sagte Jacqueline beruhigend.
»Nein, nein, ich gehe«, beharrte er, obwohl ihm sichtlich unwohl in seiner Haut war.
Geoffrey sprang auf, warf sich seinen Regenumhang über und eilte aus dem Haus. Wahrscheinlich wollte er mit seinem galanten Angebot die Sache mit ihrer ruinierten Unterwäsche wiedergutmachen. Zehn Minuten später war er wieder da und reichte Jaqueline den kleinen Eimer mit den frischen Eiern. Er hatte auch die Wäsche aufgehoben, die im Schlamm neben der Waschküche lag.
»Danke, Geoffrey, das ist lieb von dir«, sagte Jacqueline lächelnd. »Wie wär’s zur Abwechslung mit hart gekochten Eiern und Toast zum Frühstück?«
»Prima, danke«, erwiderte er verlegen.
Sie hörten die Hintertür zufallen, Sekunden später kam Nick in die Küche. Er hatte seine Stiefel draußen auf der Veranda ausgezogen, sich ein Handtuch aus dem Bad geschnappt und frottierte sich die nassen Haare. »Morgen. Wo ist euer Vater, Jungs?«
»Draußen bei den Schafen«, antwortete Sid.
Jacqueline sah Nick prüfend an. »Wie geht es dir heute Morgen?« Er wirkte übermüdet und bewegte sich steif. Und ihr war ganz seltsam zumute, weil sie auf einmal so vertraut miteinander sprachen.
»Gut«, brummte er.
»Hast du Kopfweh? Siehst du verschwommen?«
»Nein!«, fuhr er sie an. »Hör auf, mich zu bemuttern!«
»Jackie hat dir das Leben gerettet, Onkel Nick«, sagte Geoffrey mit Nachdruck.
Nick und Jacqueline sahen den Jungen verdutzt an. Nick, weil er über sich selbst erschrak, Jacqueline, weil er ihr zu Hilfe kam. Sie vermutete, dass es Nick schlechter ging, als er zugab, und überlegte, ob sie Rachel Roberts verständigen sollte.
Nick senkte beschämt den Kopf. »Der Junge hat Recht, Jackie. Ich muss mich bei dir bedanken. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt nicht mehr hier.«
War das der Grund gewesen, weshalb er sie geküsst hatte? Aus Dankbarkeit?
Die Jungen guckten zum Backofen hinüber. Rauch quoll aus der Ofentür. Jacqueline hatte vergessen, dass sie Brotscheiben zum Toasten hineingelegt hatte.
»Ja, Onkel Nick, wenn Jackie dich nicht gerettet hätte, wärst du auch verkohlt wie das Brot im Ofen«, bemerkte Jimmy.
»O nein!« Jacqueline fuhr herum, riss die Ofentür auf und wedelte mit der Hand den Rauch weg. Die Brotscheiben waren tatsächlich so schwarz verkohlt, dass sie nicht einmal mehr an die Hühner verfüttert werden konnten.
Nick grinste und zwinkerte seinen Neffen zu. Er war am Leben und nicht ernsthaft verletzt, das war die Hauptsache. Was hatte es für einen Sinn, darüber nachzugrübeln, was alles hätte passieren können? Er hatte sein Leben schon oft aufs Spiel gesetzt, öfter, als seine Familie ahnte. Merkwürdig nur, dass es ihm dieses Mal so unter die Haut ging. Er wusste selbst nicht, warum.
Jacqueline war geknickt wegen des verbrannten Toasts, aber als sie Nick und die Jungen grinsen sah, musste sie auch lächeln. Es war so schön, dass die vier jungen Männer endlich einmal heitere Gesichter machten und Humor zeigten, selbst wenn es auf ihre Kosten geschah.
Sie saßen alle beim Frühstück, als Ben in heller Aufregung hereingestürmt kam. Der Regen fiel mit unverminderter Heftigkeit, und direkt über ihnen donnerte es. Abgesehen von den Verandadächern, die an einigen Stellen undicht waren, hatte das Wasser auf Wilpena Station bisher keinen größeren Schaden angerichtet.
Während Ben fort gewesen war, waren auf Wilpena allerdings mehrere Funksprüche eingegangen: Die Wassermassen hatten den Bahndamm bei Quorn unterspült, und aus dem Willochra Creek, einem staubigen Flussbett, war ein breiter Strom geworden. In der Nähe von Oratunga waren weitere Flüsse über die Ufer getreten. Die Überschwemmungen behinderten den Verkehr zwischen Parachilna und Blinman und sorgten für Verspätungen bei der Postzustellung.
»Auf der äußersten Koppel im Norden ist ein Baum umgestürzt!«, stieß Ben atemlos hervor. »Er hat einen Zaun zwischen zwei Koppeln niedergerissen. Von der einen sind ein paar hundert Schafe davongelaufen, von der anderen der Widder!«
»Verdammt!«, fluchte Nick.
»Sattelt die Pferde, Jungs«, befahl Ben. »Wir
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