Leuchtende Sonne weites Land - Roman
begegnen. Er wandte sich an Dot und erfuhr, dass Jacqueline zusammen mit Yuri gefunden worden war und sie den Ältesten Rede und Antwort stehen musste. Nick hielt sich abwartend im Hintergrund.
»Mein Vater lebt in Amerika, ich bin mit dem Schiff nach Australien gekommen, zusammen mit meinem Mann«, antwortete Jacqueline.
Nick fiel aus allen Wolken. Mit ihrem Mann ? Von einem Ehemann war bisher nie die Rede gewesen. Er presste grimmig die Lippen aufeinander. Ihm warf sie eine heimliche Beziehung vor, aber sie selbst war verheiratet! Was für eine Heuchlerin.
Jacqueline hatte ihre anfängliche Befangenheit abgelegt. Hatte sie zunächst das Gefühl gehabt, sich verteidigen zu müssen, so kam es ihr jetzt so vor, als seien die Stammesältesten aufrichtig an ihr und ihrem Leben interessiert. Sie empfand es als Privileg, dass sie ihr die Möglichkeit gaben, von sich zu erzählen. Auch wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, so spürte sie, dass sie weise waren. Sie sah es ihren Gesichtern an. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie sie nicht bestrafen würden, nicht, nachdem sie ihnen ihr Innerstes offenbart hatte. Vielleicht würden sie sie sogar an ihrer Weisheit teilhaben lassen.
Wo ihr Ehemann sei, wurde sie gefragt.
Jacqueline schwieg einen Augenblick. Ihre letzte Begegnung mit Henry schien eine Ewigkeit zurückzuliegen. Sie hatte Mühe, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zurückzurufen. »Er ist in Melbourne«, antwortete sie leise. »Und er ist nicht länger mein Mann.« Er hatte die Scheidung bestimmt unmittelbar, nachdem sie die unterzeichneten Papiere zurückgeschickt hatte, eingereicht.
Nick horchte auf.
Obwohl die Ältesten sie nicht danach fragten, fuhr Jacqueline, der es guttat, darüber zu reden, fort: »Ich war auf der Überfahrt nach Australien sehr krank, weil das Schiff so schlingerte. Deshalb verbrachte ich die meiste Zeit in unserer Kabine, während mein Mann die meiste Zeit in der Kabine einer anderen Frau verbrachte. Ich wusste von nichts.«
Jacqueline blickte auf, als Djula ihre Worte übersetzte. Die Ältesten musterten sie einen Moment mit ausdruckslosen Gesichtern und wechselten dann viel sagende Blicke. Aber keiner sagte etwas.
»Als das Schiff in Adelaide anlegte, erklärte mir mein Mann, er wolle Kinder mit dieser anderen Frau haben, und bat mich um die Scheidung.« Wieder keine Reaktion. »Er bot mir Geld an, aber ich lehnte es ab und ging von Bord, und mein Mann fuhr mit der neuen Frau weiter nach Melbourne.« Djula übersetzte. Die Ältesten verzogen keine Miene.
Jacqueline sah Djula an. »Finden sie es in Ordnung, dass ein Mann sich einfach eine neue Frau sucht?«, fragte sie ungehalten.
»Sie verstehen nicht, was daran falsch sein soll. Sie selbst haben mehrere Frauen und viele, viele Kinder.«
»Ach so, sie gehören zu den Völkern, die nicht monogam leben.«
»Ganz recht. Ist dir aufgefallen, dass einige wiltjas mehr als einen Eingang haben?« Als Jacqueline nickte, fuhr er fort: »Jeder Eingang ist für eine andere Frau.« Er übersetzte den Ältesten, was er mit Jacqueline geredet hatte.
Sie seufzte. Wenn sie schon kein Mitleid mit ihr hatten, sollten sie wenigstens erfahren, wie tief Henrys Verrat sie verletzt hatte.
»Ich war zehn Jahre verheiratet und habe keine Kinder bekommen. Es ist schlimm für eine Frau, keine Kinder bekommen zu können.« Sie ließ den Kopf hängen. »Etwas Schlimmeres kann einer Frau nicht passieren.« Zum ersten Mal gestand sie sich ihre wahren Gefühle ein. »Ich fühlte nichts als eine große Leere in mir. Ich kam mir wie eine Versagerin vor. Aber ich ließ mir nichts anmerken, weil ich Henry schützen wollte. Irgendwann akzeptierte ich, dass ich unfruchtbar war, und ich glaubte, Henry habe es auch akzeptiert. Er war ein egoistischer Mensch. Seine Wünsche, seine Bedürfnisse kamen immer an erster Stelle. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ein guter Vater geworden wäre, weil es ihm an Wärme und Opferbereitschaft fehlt. Aber er hat gut für mich gesorgt, mir fehlte es an nichts. Ich versuchte, meine Kinderlosigkeit dadurch wettzumachen, dass ich Henry jeden Wunsch von den Augen ablas. Wir hatten ein schönes Zuhause und viele gesellschaftliche Verpflichtungen. Ich achtete darauf, dass er seine Termine einhielt, sich gesund ernährte. Ich tat wirklich alles, um ihn glücklich zu machen, ich willigte sogar ein, mit ihm nach Australien zu gehen, obwohl ich mich in New York sehr wohl fühlte. Nichts deutete darauf hin, dass er mich
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