Liebe, Sex und andere Katastrophen
Mutter auf dem Sofa zu sitzen und fernzusehen. Ganz bestimmt nicht.
Wie erwartet schlief ihre Mutter kurz nach einundzwanzig Uhr auf dem Sofa ein. Olive verhielt sich ruhig und sah den Film zu Ende, erst dann stand sie auf und ging in ihr Zimmer. Sie legte sich ins Bett, zog die Decke bis zum Kinn hoch und wartete. Etwa eine halbe Stunde später hörte sie die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe. Rasch schloss sie die Augen und stellte sich schlafend.
»Schatz?«
Olives Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete, ihre Mutter könnte es hören. Dumpfer Lichtschein fiel vom Flur herein, als sie sich mit einem müden Seufzen zu ihr umdrehte.
»Ich wollte nur sagen, dass ich auch ins Bett gehe. Dein Dad wird bald heimkommen. Er schaut dann noch bei dir rein.« Na klar. Die täglichen Überprüfungen, ob sie ja zu Hause war. Aber sie durfte sich nicht beschweren, schließlich hatte sie diese Kontrollen sich selbst zu verdanken.
»Okay. Gute Nacht, Mom.«
Doch ihr Vater war immer noch nicht zu Hause, als Olive kurz vor Mitternacht fertig angezogen unruhig vor dem Fenster hin und her ging. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Das Treffen um eine Stunde hinausschieben?
Aber sie wollte Anthony jetzt sehen.
Außerdem war er bestimmt schon da und wartete auf sie. Mist! Mist! Mist! Kritisch warf sie einen Blick in den Spiegel. Sie hatte alte Jeans, zerschlissene Turnschuhe und eine weite Bluse angezogen, um möglichst unsexy zu wirken und sie beide nicht auf dumme Gedanken zu bringen, die mit Sex zu tun hatten.
Zu guter Letzt fasste sie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Kein Make-up. Kein Schmuck.
Fünf Minuten nach Mitternacht entschloss sie sich, an ihrem Plan festzuhalten. Sicherheitshalber drapierte sie ihre Bettdecke so, dass es auf den ersten Blick aussah, als hätte sie sich eingewickelt und würde tief und fest schlafen. Sie hoffte, dass ihr Vater zu müde sein würde, um genauer hinzusehen.
Leise öffnete sie das Fenster und kletterte auf das leicht abgeschrägte Vordach hinaus, das die Veranda darunter vor Regen schützte. Ein lauer Wind wehte. Irgendwo bellte ein Hund. Den Atem anhaltend spähte sie zur Straße hinüber. Keine Scheinwerfer weit und breit. In den umliegenden Häusern herrschte Dunkelheit. Nur im Bungalow schräg gegenüber erkannte sie das Flackern eines Fernsehers.
Vorsichtig bewegte sie sich auf allen vieren nach links, verharrte und horchte. Das Bellen verstummte, stattdessen fauchte eine Katze in unmittelbarer Nähe. Olive sah das Tier im Garten des Nachbarn verschwinden. Geduckt schlich sie zur Dachkante vor. Früher war sie oft an dieser Stelle nach unten geklettert, aber das war lange her. Sie musste ihrer Erinnerung vertrauen und den Abstieg riskieren. Okay, dann los. Sie drehte sich um und suchte mit beiden Händen an der Dachkante Halt. Was nicht einfach war. Wenn sie bedachte, dass sie früher auf Bäume und Mauern geklettert war wie ein wilder Junge, kam ihr dieses Vorhaben jetzt absurd vor. Ein Fehler, und sie würde in die Tiefe stürzen.
Das wird nicht passieren! Olive Anderson, reiß dich zusammen!
Sie holte tief Atem, legte sich auf den Bauch und rutschte mit den Beinen voran über die Dachkante hinaus. Dabei krallte sie sich mit beiden Händen fest und presste vor Anstrengung die Lippen zusammen. Ein Laut und ihre Mutter würde wie eine Furie aus dem Haus laufen, da war sie sich sicher. Ächzend ließ sie die Beine nach unten baumeln und suchte verzweifelt nach Halt. Wo war die blöde Verandabrüstung? In dieser unbequemen Position zu verharren kostete immense Kraft. Schließlich fand sie das Geländer und stützte sich mit den Zehenspitzen darauf ab. Die erste Hürde war geschafft. Mühsam hangelte sie sich nach rechts, um den Stützpfeiler zu erreichen. Die Sache gestaltete sich nicht so einfach, wie sie sie in Erinnerung hatte. Früher war sie viel schneller gewesen. Und geschickter. Wieder hineinzukommen würde sich weitaus schwieriger gestalten, aber darüber wollte sie sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die Angst überwand, um die Dachkante loszulassen und den Pfeiler zu umfassen.
Ihr Herz klopfte wild. Aber sie schaffte es und kam unbeschadet unten an. Fast hätte sie den Bewegungsmelder vergessen, der die Veranda und die Einfahrt bei Auslösung beleuchtete. Um ihn zu umgehen, kletterte sie über die Verandabrüstung.
Anthony wartete bereits in seinem Wagen. Olive biss sich auf die Lippe, um die Tränen zu
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