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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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natürlich auch die Füchse. Manchmal hoppelten Kaninchen über den Rasen (die Füchse fraßen auch sie), und Gloria hatte zahllose Katzen aus der Nachbarschaft beobachtet, ebenso wie kleine scheue Nagetiere, die nur nachts herauskamen. Die Füchse fraßen die kleinen scheuen Nagetiere besonders gern. Hier unten im Keller hatte sie manchmal den Eindruck, sie würde eine Tiersendung im Fernsehen anschauen.
    Die Nachtsichtkameras übertrugen alles in seltsamen Grau- und Grüntönen, so dass der Garten fremd wirkte, ein schattenhafter Ort, gesehen durch gespenstische Augen. Etwas bewegte sich in dem Blättergewirr der großen Rhododendronbüsche neben der Einfahrt. Etwas Glitzerndes, Diamanten in Jet gefasst. Augen. Was konnte das für ein Tier sein? Ein Bär? Ein Pferd? Beides war unwahrscheinlich. Sie blinzelte, und es war verschwunden. Ein Geschöpf der Nacht.
    Trotz aller Technologie konnten die Kameras nicht losmarschieren und im Laub schnüffeln, sie konnten einen Eindringling nicht anheulen und anbellen. Sollte Graham sterben, würde Gloria als Erstes ins Hundeheim nach Seafield fahren und einen sanftäugigen Lurcher oder einen temperamentvollen kleinen Terrier holen. Graham mochte Tiere nicht, sie hatten nie ein Haustier gehabt, weil er behauptete, er habe eine schwere Allergie gegen Tierhaare und Federn. Gloria hatte nie Symptome von dieser oder irgendeiner anderen Allergie bei Graham bemerkt. Einmal hatte sie Haare von einer Nachbarkatze genommen – das arme Ding hatte eine Art Alopezie, man musste sie nur streicheln und hatte die Hand voller Haare – und sie unter Grahams Kopfkissen gelegt. Dann war sie die halbe Nacht wach geblieben, um zu sehen, was passierte, doch er war morgens wie immer aufgewacht und hatte nach »zwei pochierten Eiern« verlangt. Gloria vermutete, dass ihre Kinder sympathischere Menschen geworden wären, wenn sie mit einem Hund aufgewachsen wären.
    Sie dachte an Graham auf der Intensivstation, der sich in einem dämmrigen Niemandsland zwischen Leben und Tod befand und darauf wartete, dass der Große Architekt im Himmel ihm seine Pläne enthüllte. Gloria behielt dieses geheimnisvolle Geschehen für sich und bereitete sich auf die Folgen vor. Sie hatte weder Ewan noch Emily angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass ihr Vater vor der Tür des Todes herumlungerte und darauf wartete, ob er eingelassen würde. Sie hatte es niemandem gesagt. Sie wusste, dass sie es tun sollte, aber sie hatte keine Lust. Die Leute würden so ein Drama daraus machen, und Gloria glaubte, die Sache würde besser über die Bühne gehen, wenn sie sich ruhig verhielt. Außerdem hatte sie noch einiges zu erledigen, bevor er starb, bevor die Leute es erfuhren. Deshalb würde sie ihn in seinem Krankenhausbett liegen lassen, verborgen vor aller Augen, während sie Vorbereitungen für ihre Witwenschaft traf. Seine plötzliche Neigung zur Sterblichkeit hatte sie frappiert. Graham überraschte sie nicht oft.
     
    Gloria legte sich mit einem Becher Horlicks und einem Teller Haferplätzchen mit Wensleydale-Käse und einem dicken Wälzer von Maeve Binchy ins Bett. Sie aß immer Wensleydale, nie Lancashire, aus tief empfundener Loyalität zu ihrer Grafschaft. Mit derselben Einstellung sah sie lieber
Emmerdale
als
Coronation Street
, einfach weil
Emmerdale
in Yorkshire spielte, wenn auch nicht in einem Teil von Yorkshire, den sie wiedererkannte.
    Wie groß und wunderbar ihr das Ehebett plötzlich erschien. Sie hatte bereits die Bettwäsche gewechselt, die Matratze umgedreht und gelüftet, Grahams tote Haut von den Kissen gesaugt. Kaum hatte sie es sich gemütlich gemacht, Murphys Gesetz, hörte sie das geduldige Klingeln des Telefons. Gloria war der Ansicht, dass Alexander Graham Bell für eine Menge zur Rechenschaft zu ziehen war, und hatte sich geweigert, ein Telefon neben dem Bett installieren zu lassen. Sie sah die Notwendigkeit nicht ein. Wenn sie im Bett lag, wollte sie schlafen, nicht reden. Grahams Handy war buchstäblich mit seinem Ohr verbunden, er brauchte kein Telefon im Schlafzimmer, und in Reichweite des Betts befand sich »für Notfälle« ein Panikschalter, obschon Gloria sich nur ungern vorstellte, was für ein Notfall sich im Schlafzimmer ereignen sollte, damit sie auf den Panikschalter drückte. Vielleicht wenn Graham Sex wollte. Sie hievte sich widerwillig aus dem Bett und ging nach unten. Vermutlich war es am besten, alle Fragen offensiv zu beantworten.
    Auf dem Display stand »Pam«. Gloria seufzte und

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