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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Gummibands ihrer Shorts, an der Bauchdecke festhalten und es dort wie eine angriffslustige Kobra aufstellen. Daher auch die Bezeichnung die einäugige Kobra .«
    »Einäugige Kobra? Man hat den Positionen auch noch Namen gegeben?«
    »Ja. Bei der einäugigen Kobra versucht der Mann, seine Schlange größer wirken zu lassen, als sie wirklich ist.«
    »Verstehe. Sie meinen, die einäugige Schlange spielt sich als Kobra auf, ist aber in Wahrheit eine Blindschleiche.«
    Wieder wird etwas in den Notizblock eingetragen.
    »Kobra und Blindschleiche, das ist guuuut, Herr Süßemilch. Ihre Mitarbeit ist immer wieder erfrischend.«
    Kein Wunder, meine Neugier ist nun vollends geweckt.
    »Und welche Techniken gibt es sonst noch so?«
    »Unendlich viele. Es gibt zum Beispiel den Taucher, der nach unten knickt, oder den Kranich, der sich wie der Wasservogel im Hals zunächst abknickt und dann nach oben streckt.«
    Abknicken und nach oben strecken? Es gibt Dinge, die einem als Mann allein bei der Vorstellung schmerzhaft erscheinen. Der Kranich gehört definitiv dazu. Dennoch könnten mir diese Untersuchungsergebnisse helfen, wenn ich sie richtig anzuwenden weiß. Ich muss mehr darüber erfahren.
    »Okay, machen wir einen Test. Was bedeutet es, wenn man den Penis, sagen wir mal, nach unten rechts ablegt?«
    »Das ist leicht. In Amerika nennt man es die ›Anchor-Man-Position‹. Bei uns in Deutschland schlicht ›Tagesschau-Position‹, weil der Penis auf der Acht-Uhr-Stellung verweilt, dem Beginn der Nachrichtensendung. Daher die Bezeichnung.«
    »Und was sagt die ›Tagesschau-Position‹ über den Träger aus? Ist er schwul oder nicht?«
    »Dieser Mann hat keine eigene Meinung und kaut nur das wieder, was andere ihm vorgeben. Er ist zumindest niemand, der auf den Tisch haut und sagt, wo es langgeht. Er ist eher der Tisch, auf den gehauen wird. Er ist Indianer, niemals Häuptling.«
    »Also schwul?«
    Frau Kuhlig-Semmrau stimmt mit einem Blinzeln und geschürzten Lippen zu. »Höchstwahrscheinlich.«
    »Ist ja ein Ding …« Ich streiche mir durchs Haar und finde Gefallen an der Idee. »Was ist mit kerzengerade nach oben liegend. So wie die Kobra, aber ohne im Hosengummi einzuklemmen.«
    »Oh, diese Position nennt man den ›Führer‹. Na, Sie wissen schon, weil man mit seinem Penis so steil nach oben grüßt.« Frau Kuhlig-Semmrau hebt kurz den Arm, bricht aber auf halbem Weg ab. »Der Träger möchte damit unterbewusst Stärke und Dominanz ausstrahlen. Den ›Führern‹ ist die Macht bis in die Unterhose gefahren.«
    »Nicht schwul.«
    »Diese Männer wollen so maskulin wirken, dass sie fast schon wieder verkappte Schwule sind. Sehr ambivalent.«
    Ich sehe die Weltgeschichte nun mit ganz anderen Augen. Jetzt will ich es wissen und gehe im Uhrzeigersinn weiter.
    »Links waagerecht.«
    Was sich anhört wie eine Partie »Schiffe versenken«könnte die Lösung meiner Mission sein. Es klingt alles irgendwie sinnig.
    »Tja, der Linksabbieger, auch ›Napoleon‹ genannt … Das ist ein ganz spezieller Charakter. Kein richtiger ›Führer‹, aber auch kein ›Taucher‹.« Frau Kuhlig-Semmrau lehnt sich genüsslich in ihrem Stuhl zurück. Es scheint so, als ob sie sich dabei eher an einen vergangenen Sexualpartner erinnert als an einen wissenschaftlichen Bericht. »Der ›Napoleon‹ ist ein kleiner Revoluzzer, er ist aufmüpfig und ignoriert bestehende Regeln. Er fährt sozusagen gegen den fließenden Verkehr.«
    »Hetero?«
    »Und wie.«
    Falls ich es schaffe, Falcos bevorzugte Position zu ermitteln, wäre meine Wette gewonnen und mein Schlaf gesichert. Doch ich muss jegliche Eventualitäten abfragen.
    »Und wenn nun jemand wechselt. Mal so und mal so seine, äh, einäugige Schlange legt? Gibt es dafür auch eine Erklärung?«
    Frau Kuhlig-Semmrau betrachtet mich eindringlich, dann sagt sie: »Das Chamäleon. Das ›Chamäleon‹ ist sich noch unsicher, auf der Suche nach sich und seiner Ausrichtung. Es wechselt seine Position wie seine Einstellung zum Leben. In einem Moment ist der Mann weich und verletzlich, ja fast feminin, und im nächsten aufbrausend, maskulin und dominant. Er ist undurchsichtig, aber ein toller Liebhaber.«
    »Also schwul.«
    »Nein.«
    »Hetero?«
    »Auch nicht. Er ist bisexuell.«
    Es folgt eine kurze Pause, in der ich mich auf der kleinen Bank sammele. Kann das alles wahr sein? Ich muss eine letzte Frage stellen. Mein Kopf schießt wieder hinter der Tischplatte empor.
    »Was ist mit den Männern, die ihn

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