Löwenherz. Im Auftrag des Königs
langsam auf. Einer nickte dem andern anerkennend zu. Von Freude über den gelungenen Ausfall aber war nichts zu spüren. Zu gering war der Ertrag gewesen und zu hoch waren die Verluste. Erst jetzt sah Robert, dass sie ein Drittel der Männer verloren hatten. Ihm fiel ein, dass der Tod von Sire Thibaud, den alle für seinen Herrn hielten, ihm Gelegenheit gab, sich ohne viel Aufhebens zu entfernen. Auf einmal war ihm unerträglich heiß und er riss sich den Helm vom Kopf. Er entglitt seinen Fingern und fiel scheppernd zu Boden. Was er draußen gesehen hatte, wühlte ihn zutiefst auf: Wehrlose Menschen niederzureiten, selbst wenn es in der Not geschah, hatte doch wahrlich nichts mit Ritterlichkeit zu tun!
Eine Hand legte sich auf seine Schulter.
»Na, komm schon!«, sagte eine vor Erschöpfung raue Stimme. »Dass es Sire Thibaud erwischt hat, ist schlimm, aber wir können hier niemanden entbehren.« Die Hand packte ihn und dreht ihn um. Erstarrt blickte er in ein junges, verschwitztes Gesicht, auf dem feucht der erste Bartflaum klebte. Unter der Panzerkapuze lugte der Rand einer total verschmutzten, mit Rost- und Schmierflecken verunzierten Polsterhaube hervor. »Trauern kannst du, wenn wir hier fertig sind oder wenn es uns alle erwischt … He! Du bist nicht Raymond! Wer zum Teufel …«
Roberts Arm spannte sich ohne sein bewusstes Zutun und seine Faust im Panzerhandschuh traf den jungen Mann genau zwischen die Augen. Sein Gegenüber taumelte und fiel auf den Hintern.
Voller Panik sah sich Robert um. Schon fing er die ersten misstrauischen Blicke auf. Er hob den Fuß, um zu flüchten, da fühlte er, wie eine Hand seinen Knöchel packte und daran zog. Scheppernd fiel er mit seiner Rüstung zu Boden. Der junge Mann rollte sich herum und stürzte sich auf ihn. Robert konnte sich auf den Rücken wälzen, aber er war zu langsam und zu schwach, um die Hände seines Gegners abzuwehren, die nun seine Unterarme umklammerten und auf den Boden drückten. Sein Gegner setzte sich rittlings auf seinen Oberkörper und blickte ihm ins Gesicht. Auf seiner Stirn begann sich ein blutunterlaufener Fleck zu bilden, wo ihn Roberts Panzerhandschuh getroffen hatte.
»Wer bist du?«, stieß der junge Mann hervor, dann hob er den Kopf und brüllte: »He! Messire s! He! Ich hab einen Sarazenen geschnappt, der sich hier eingeschmuggelt hat.«
»Lass mich los!«, stöhnte Robert und wand sich vergeblich.
»Messire s! «, brüllte sein Gegner. »Ich hab einen!«
»Halt die Klappe!«, brummte eine zweite Stimme.
Robert warf den Kopf herum. Sein Blick wanderte an staubigen Reitstiefeln hinauf, weiter zu einem langen Panzerhemd und einem zerschlissenen Waffenrock bis zu einem bärtigen Gesicht, das rot angelaufen und schweißnass war. Hier stand unverkennbar ein Ritter.
»Er ist ein Sarazene, Messire ! «, keuchte der junge Mann. »Hier – er hat mich geschlagen! Er trägt Raymonds Sachen, aber er ist nicht Raymond. Er ist ein Sarazene!«
»Ich bin kein Sarazene!«, rief Robert.
Der Ritter, der auf Robert und den jungen Mann heruntersah, legte den Kopf schief. »Er sagt, er sei kein Sarazene, Arnaud.«
»Er lügt!«
»Er sieht nicht aus wie ein Sarazene, Arnaud.«
»Das ist ein Trick, Messire ! «
»Er spricht Normannisch mit einem grässlichen angelsächsischen Akzent, Arnaud.«
»Das ist auch ein Trick, Messire!«
»Arnaud«, sagte der Ritter, »du bist zwar mein Knappe, aber mein Pferd hat mehr Verstand als du.«
»Ich bin der Sohn Eurer Schwester, Messire!«
»Keine Angst, ich verrate es ihr nicht. – Na los, du Hänfling«, der Ritter nickte Robert zu, »was hast du hier zu suchen?«
»Spionieren, Messire! Er ist ein sarazenischer Spion!«
»Ich bin …«, Robert fiel im letzten Moment ein, dass sein Vater hier Gefangener war und sein wahrer Name daher vielleicht keinen so guten Klang hatte, »… äh … ich bin Sir John de Loxley aus Yorkshire!«
»Hörst du? Er sagt, er sei ein Angelsachse, Arnaud«, seufzte der Ritter.
»Er lügt, Messire, er lügt!«
»Was seinen Namen betrifft, allemal«, erwiderte der Ritter und grinste. »Und jetzt geh mal runter von ihm, damit wir ihn besser über die Burgmauer werfen können, wenn er wirklich ein Spion ist.«
»Ich bin kein Spion, Messire!«, rief Robert und richtete sich mühsam auf.
»Und wieso trägst du dann die Sachen des toten Knappen eines toten Mannes?«
»Raymond ist nicht tot. Er hat sich nur tot gestellt, damit er fliehen konnte.«
Der Ritter betrachtete
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