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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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offensichtlich nicht ganz so viel ab wie ein paar andere Berufe in seinem Umfeld.
    Sophie war mit Tommy und Cheryl gekommen. Sie hatten sich bemüht, nicht allzu offensichtlich auf Jasons Seite zu stehen, was ich ihnen hoch anrechnete. Zwischen den Zeilen las ich heraus, dass es ihnen leicht peinlich war, dass er mich herausgefordert hatte. Mit dem Underdog fühlten alle ein bisschen mit. Im Grunde genommen wussten sie wohl einfach, dass er Kleinholz aus mir machen würde.
    Es wurde schon richtig voll, als wir eintrafen: Männer in schwarzen oder kamelhaarfarbenen Mänteln, Frauen im Pelz, die Abendluft geschwängert vom Duft ihrer Rasierwässerund Parfums. Offensichtlich war das hier eine Gelegenheit, sich sehen zu lassen. An die Rückseite des Hotels war eine Halle angebaut, wo man den Ring aufgestellt hatte. Alle Deckenscheinwerfer waren direkt darauf gerichtet, und als wir daran vorbeigingen, fühlte ich ein Flattern im Magen. Um den Ring herum standen reihenweise Stühle und Tische. Die Halle war ziemlich riesig, mindestens fünfhundert Zuschauer würden hier Platz finden.
    Ich konnte mir schon vorstellen, wie sie bald alle nach meinem Blut heulen würden. Ohne mich zu kennen, ohne jede Verbindung.
    Auf dem Programm waren zwölf Kämpfe angekündigt, aber in Sachen Umkleideraum war das Angebot mager. Deshalb bekamen Gary und ich eine Ecke in der Damendusche, die zum Fitnessbereich des Hotels gehörte. Unsere Gegner waren bei den Männern. Ich versuchte, es nicht persönlich zu nehmen, dass man mich in die Frauen-Nasszellen abgeschoben hatte. Außer mir gab es noch fünf weitere Kämpfer, mit denen ich mir den Platz teilen musste, und jeder versuchte, sich etwas privaten Raum zu erobern, um sich innerlich vorzubereiten.
    Es stank nach Füßen, Pisse und Schweiß.
    Der Wettkampf sollte mit ein paar Junioren beginnen, eben mal sechzehn Jahre alt, und sich dann zu den erfahrenen Schwergewichtlern hocharbeiten, der eigentlichen Attraktion des Abends. Mein Kampf war etwa zur Halbzeit angesetzt, weshalb ich erst mal eine Weile schmoren durfte.
    Ich hörte, wie die Menschenmenge in der Halle größer und immer lauter wurde. Ich hörte das Grölen angespannterErwartung, als der Ringsprecher ans Mikrofon trat und etwas über die gute Sache salbaderte, für die dieser Abend ins Leben gerufen worden war.
    Mir ging das am Arsch vorbei. Für mich war die Sache rein persönlich.
    Der erste Junge ging raus. Callum Furey. Sechzehn Jahre und im grünen Trikot des Repton-Clubs. Sein Gesicht war eingefroren und er blickte starr nach vorn, als er die Halle betrat.
    Wieder das Gebrüll.
    »Beliebter Bursche«, sagte Gary. »Und sehr brauchbarer Boxer. Der wird mal gut. Sein Bruder hat sich allerdings auch nicht blöd angestellt. Aber der ist jetzt der Fürsorgefall im Rollstuhl.«
    »Was ist passiert?«, fragte ich. »Autounfall?«
    Gary lachte. »Ja, so könnte man’s auch nennen. Einer von diesen Autounfällen, wo man die Knie zerschossen und den Schädel mit dem Baseballschläger eingehauen bekommt. Lächeln und winken kann er noch, aber abgesehen davon ist der Junge menschliches Gemüse.«
    »Wer war das?«, fragte ich.
    »Nicht gerade der beste Ort, um drüber zu reden«, sagte Gary. »Die Leute hier machen gern eine Asiaten-Gang von der Commercial Road dafür verantwortlich. Aber die Fureys sind eine der großen Familien in der Gegend hier. Die machen sich gern ein bisschen wichtig.«
    »Und?«
    Gary senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Also denken eine Menge Leute, der Angriff auf den Jungen sollte eine Warnung sein, den Ball flach zu halten.«
    »Von wem?«, fragte ich. Langsam setzte sich alles zusammen.
    »Da sind verschiedene Namen auf dem Markt. Inklusive dem deines Chefs, auch wenn sich niemand trauen würde, das laut zu sagen. Hier ist natürlich alles Rückenklopferei und Küsschen, aber unterschwellig ist die Spannung noch da.«
    Aus der Halle hörten wir Applaus. Die Durchsage, dass Callum Furey vor Ablauf der dritten Runde gesiegt hatte. Eine populäre Entscheidung.
    Alle Boxer, die jetzt noch warteten, trugen weder Kopfschutz noch Trikots   – die Verbandsregeln hatten hier nichts zu melden. Der nächste Kerl machte sich tänzelnd zum Hinausgehen bereit. Er patschte sich leichte Schläge ins Gesicht, um seinen Körper auf die Dresche vorzubereiten, die er gleich einstecken würde. Ich klopfte ihm auf den Rücken und spürte, dass er schon schweißgebadet war. Aus der Halle ertönte eine Fanfare und ich

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