Lucy - Der Schlüssel (Band 5) (German Edition)
Rucksäcke.
»Und du bist sicher, dass Linchen in dem Ding nicht erstickt?«, fragte Kim mittlerweile mindestens zum zehnten Mal ängstlich.
»Wir haben das doch tausendmal getestet. Da kommt genug Luft hinein. Ich habe mindestens genauso viel Angst um die Kleine wie du«, antwortete Lucy genervt.
Sie hatten Lina in einen Kindertragerucksack gesteckt, der so von außen verziert war, dass man das Kind nicht sehen konnte. Er sah wie ein ganz normaler Rucksack aus. Auch Linas Kopf steckte unter einer Plane. Nach vorne besaß er natürlich eine Öffnung. Sie durfte nicht zu groß sein, damit kein Mensch von außen hineinsehen konnte. Auf der anderen Seite musste sie Lina aber genug Luft zum Atmen bieten.
Kim hatte nach wie vor Angst, dass die Lücke in der Plane nicht groß genug sein könnte. Lucy beunruhigten dagegen ganz andere Dinge. Anfangs hatte sie gedacht, dass ihr größtes Pr oblem sein könnte, dass Lina aufwachen und weinen oder gar schreien würde. Es hatte sich aber herausgestellt, dass das Kind viel zu schwach war. Sie hatten sogar den Kopf der Kleinen mit einem Gurt fixieren müssen, damit er nicht unter der Plane hin und her pendelte. Das Kind war während der ganzen Prozedur nicht einmal aufgewacht. Morgens hatte es nicht einmal eine Viertelflasche getrunken, obwohl Lucy und Kim gemeinsam versucht hatten, das Kind wach zu halten. Langsam wuchs Lucys Angst, dass sie es in der Tat nicht rechtzeitig auf die Station schaffen könnten. Genauso schlimm wäre es, wenn Tareno keinen Rat wusste und Lina im Krankenbett auf der Station sterben würde.
Die beiden Mädchen kamen am Bahnhof an. Es handelte sich um einen alten Kopfbahnhof. Sie kauften sich etwas zu essen und sta nden Kaffee trinkend und Brötchen kauend an einem Tisch und beobachteten die Umgebung. In dieser Aufmachung fiel es nicht einmal auf, dass sie provozierend jeden einzelnen Menschen auf dem Bahnhof betrachteten. Die Leute sahen sie selbst mit einer Mischung aus Neugierde und Ablehnung an. Kim stieß Lucy mehrfach unauffällig an und nickte in eine Richtung.
»Die stehen nicht nur am Kopfende, sondern auch auf jedem Gleis«, sagte sie leise.
»Ich weiß. Auf dem Gleis mit dem Zug nach Italien stehen sie sogar an jedem Eingang.«
Tatsächlich waren überall gut aussehende Menschen verteilt, die sich bei näherem Hinsehen auffällig unauffällig verhielten.
»Die halten sogar die irdischen Zeitungen richtig herum.« Kim grinste und sah dabei fast gefährlich aus. Sie hatte ihren Mund grell rot geschminkt. Er stach aus dem blassen Gesicht besonders krass hervor.
»Da ist die Regionalbahn. Sie fährt in zehn Minuten. Wir sol lten mal langsam unauffällig dahin gehen«, sagte Lucy. Sie schmiss sich ihren Rucksack über die Schultern.
Kim hatte, während sie an dem Tisch standen, ihre Hand unau ffällig unter die Plane ihres Rucksacks geschoben und zärtlich den Kopf der Kleinen gestreichelt. Jetzt legte sie ihn vorsichtig an. Lucy half ihr. Diese Vorsicht war das Einzige, das nicht so ganz zu dem provozierenden Äußeren der beiden jungen Frauen passte.
Langsam schlenderten die beiden zu dem Gleis, auf dem die R egionalbahn stand und wartete. Kim blieb vor einem Herrn in Anzug mit Krawatte stehen, der die Todesanzeigen der örtlichen Zeitung las. Lucy hatte ihn sofort als imperianischen Agenten erkannt.
»Schöne Krawatte.« Kim grinste den Mann an. »Schenkst du mir die?«
Lucy blieb fast das Herz stehen. Sie umklammerte die Waffe in ihrer Jackentasche. Der Mann sah angewidert zur Seite.
»Dann eben nicht. Schönen Tag noch.« Kim lächelte provozi erend und schlenderte weiter zum Zug. Der Mann sah demonstrativ in eine andere Richtung. Lucy beeilte sich, hinter Kim herzukommen.
»Bist du jetzt völlig verrückt geworden?«, zischte sie ihr leise ins Ohr.
»Wieso? Du hast doch gesagt, wir sollen uns unauffällig verhalten«, antwortete Kim unschuldig.
»Das hast du wirklich gut hinbekommen«, schimpfte Lucy.
»Ich weiß nicht, was du hast? Für den sind wir irgendwelche widerlichen Punks. Der sieht uns nicht mal mehr mit dem Hintern an.« Kim grinste dieses breite Grinsen, was in dieser Maske wirklich widerlich aussah.
Endlich saßen sie im Zug. Lucy konnte sich noch immer nicht entspannen. Sie beobachtete jeden Fahrgast. Selbst ältere Leute schätzte sie danach ab, ob es sich bei ihnen nicht doch um verkleid ete Imperianer handelte. Sie fühlte sich noch immer schlapp. Dabei hatte sie die Nacht an Kims Rücken gekuschelt
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