Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Häuserfassaden umschlossen einen Spielplatz, einen Parkplatz und die Mülleimer. Die Fenster waren erleuchtet, es war Abend und ruhig. Zwei Türen führten ins Haus, und sie eilte zur ersten. Die war abgeschlossen, also versuchte sie es bei der nächsten, aber auch die war zu. Es gab also keine Möglichkeit, weiter zu kommen. Ich kann schreien, wenn es sein muss, dachte sie, aber sie traute sich nicht, sich umzudrehen, um zu sehen, ob er noch hinter ihr her war. Und wenn sie schrie, würde sie jemand ernst nehmen? Wahrscheinlich wäre er schon über ihr, bevor ein Mensch im Haus reagiert hatte.
Sie blieb stehen, spähte in den Innenhof, wurde aber von ihrem eigenen keuchenden Atem gestört. Sie versuchte den Atem anzuhalten und erneut zu lauschen. Es war erschreckend still auf dem Hof. Vier Autos standen in einer Reihe geparkt, und dahinter befand sich ein Schuppen für die Mülleimer. Sie kroch hinter den Autos zu dem Müllschuppen und packte die Klinke. Er war nicht verschlossen, sie schlüpfte hinein.
Es gab keine Zeit für Tränen, sich gehen zu lassen, die Angst, die Schmerzen und den Blutgeruch zu registrieren. Es tat verdammt weh, aber bei dieser nüchternen Feststellung musste sie es erst einmal belassen. Sie traute sich nicht einmal, sich vor dem Blut zu ekeln, das ihr aus dem Mund lief und auf die Polizeijacke tropfte. Vorsichtig wischte sie es mit dem Jackenärmel ab, ließ den Arm vor dem Mund, während sie nach ihrem Handy suchte. Da war es, welche Erleichterung, sie griff es gierig, drückte auf die Tasten, aber verwählte sich. Ihre Finger waren unsicher, sie sah schlecht und hatte Probleme, sich zu konzentrieren. Sie versuchte es drei Mal und wollte schon aufgeben und über den Operator gehen, da hörte sie Jesper Grens Stimme. Sie sagte kurz, worum es ging, ihre Stimme war verzerrt und belegt, und zunächst glaubte er ihr nicht. Dann versprach er aber, die Zentrale anzurufen und mitzuteilen, wohin er mit dem Peterwagen fahren würde, aber nicht warum. Absolutes Schweigen darüber, warum. Aber er würde sie abholen.
Als er sie zusammengekauert hinter den Mülltonnen fand, fror sie so sehr, dass sie zitterte. Ihr Gesicht war angeschwollen wie ein Fußball, das linke Auge ganz zugeschwollen.
Bei sich hatte er Peter Berg.
KAPITEL 10
Am nächsten Morgen wartete Claes Claesson, bis sich alle gesetzt hatten, die Tür geschlossen war und es einigermaßen ruhig wurde. Dann blickte er in die Runde, räusperte sich und ergriff das Wort:
»Erika Ljung ist gestern Abend schwer misshandelt worden, sie ist jetzt im Krankenhaus«, sagte er und schaute erneut in die Gesichter seiner Mitarbeiter, die alle erstarrt waren. »Die Misshandlung passierte nicht während des Dienstes, sondern bei ihr zu Hause. Ihr Mitbewohner hat die Tat verübt. Er wurde kurz danach in der Wohnung festgenommen, die teilweise zertrümmert war, und jetzt sitzt er eine Treppe höher in Gewahrsam«, berichtete er und ließ den Blick kurz nach oben gleiten. »Die Sache ist dem Staatsanwalt übergeben worden, der die Voruntersuchung leitet, da die Tat Gewalt gegen eine nahe stehende Person beinhaltet.«
Es war mucksmäuschenstill, niemand wagte, sich auch nur zu bewegen. Ein Engel geht durch den Raum, dachte er, oder ist es vielleicht ein Teufel? Das Schweigen war geladen, die Sekunden vergingen, als Einziges war der Wind zu hören, der gegen die Scheiben drückte. Sie saßen wie erstarrt in ihren Bewegungen da und warteten auf die Fortsetzung. Er ließ den Blick von einem zum anderen wandern, alle diese wohl vertrauten Gesichter, die seinen Alltag bevölkerten, so selbstverständlich, dass er kaum darüber nachdachte. Er sah Louise Jasinskis Gesichtsausdruck, in dem man lesen konnte wie in einem offenen Buch, und im Augenblick war sie gleichzeitig wütend und traurig. Zwei scharfe Falten hatten sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet. Janne Lundin saß wie üblich neben ihr, lang und schlaksig, und er sah aus wie immer, als ob eine schwere Last auf seinen Schultern ruhte. Doch es war ungewöhnlich, wie still er saß, er wippte nicht mit dem Stuhl, ein Zeichen dafür, dass die Nachricht auch ihn ins Mark getroffen hatte. Peter Berg, auf der anderen Seite von Louise, war immer blass, aber jetzt auch um die Lippen herum, und blauschwarz unter den Augen. Er sah äußerst angespannt aus, man konnte etwas Dunkles, fast Hasserfülltes in seinem Blick erkennen, und es war das erste Mal, dass Claesson ihn so sah. Jesper Gren, ein junger Mann,
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