Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
und das rhythmische Piepen der Herz-Lungen-Maschine begleitete seine Atemzüge.
„Sind Sie ein Verwandter?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Jason wandte sich um. Die Schwester, die vorhin an ihm vorbei gehuscht war, stand schräg hinter ihm. Er schüttelte den Kopf.
„Schade. Wir hatten gehofft, dass sich nach der langen Zeit vielleicht doch noch jemand meldet“, seufzte sie.
„Was ist passiert?“, erkundigte sich der junge Vampirfürst.
„Motorradunfall. Immer diese jungen Raser! Wenigstens die Rippenbrüche sind gut verheilt. Jetzt liegt er schon sechs Monate hier im Koma und niemand kümmert sich um ihn. Es ist eine Schande. Die Polizei meinte, er wäre ganz allein auf der Welt. Die Familie ist bei einem Wohnungsbrand vor zwei Jahren ums Leben gekommen. Armer Junge!“
„Wie alt ist er?“
„Gerade einundzwanzig geworden. Er hatte wohl Papiere bei sich, als er gefunden wurde. Sein Name ist Stuart. Stuart Rutherford. Er lebte ganz allein in einem Apartment hier in Edinburgh und hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen.“
Mit diesem letzten Satz verließ die Schwester Jason, den sie für einen harmlosen Besucher hielt, und eilte weiter den Gang entlang.
Der Vampir betrat das Zimmer mit dem Komapatienten und näherte sich langsam dem Bewusstlosen. Dabei stellte er seine Einkaufstüten auf den Boden. Durch seine mentalen Fähigkeiten gelang es Jason, in die Gedankenwelt des still da liegenden Jungen einzudringen. Diese Gedanken kreisten wie in einer Zeitlupenwiederholung immer noch um das Unfallgeschehen und spielten die Bilder unentwegt ab. Jason stellte schnell fest, dass es kein richtiger Unfall gewesen war: Eine Motorradgang auf schweren Maschinen hatte diesen jungen Mann aus reiner Schikane eine Küstenstraße entlang verfolgt und von der regennassen Straße gedrängt. Er war eine steile Klippe hinuntergestürzt und an einem Felsvorsprung hängen geblieben, während seine Maschine unten in Flammen aufging. Es hatte fast zwölf Stunden gedauert, bis man ihn fand und mit einem Hubschrauber völlig unterkühlt retten konnte. Seitdem lag er hier.
In Jasons Erinnerung tauchten andere Bilder auf. Bilder, die ihn selbst als schwer verletzten Soldaten in einem schmutzigen Feldlazarett zeigten, in dem es nach Blut, Schweiß, Schwefel und Äther roch, umgeben von fremden Stimmen und den fernen Explosionen der Granaten. Er wusste, was dieser Junge durchmachte. Stuart war in seinem Inneren ein Freigeist, ein sensibler Künstler, der nie eine Chance gehabt hatte, diese Talente auszuleben. Er hatte niemals wirkliche Freunde gehabt. Ähnlich war es Jason selbst ergangen zwischen einer Horde rauflustiger Brüder. Sollte er diesem Jungen nun seine verdiente Chance geben, ein zweites Leben schenken? Der Nachteil dabei wäre, einen wandlungsfähigen Vampir zu schaffen. Fast war er sich sicher, dass er bei Stuart kein sinnlos mordendes Monster schaffen würde. Eine ganze Zeit lang starrten Jasons dunkle Augen auf das hilflose menschliche Wesen vor ihm auf den weißen Laken.
Dann beugte er sich tatsächlich hinab, drehte den Kopf des Jungen leicht zur Seite und schlug seine Fangzähne in dessen Hals.
†
Jason hatte die Türe zum Krankenzimmer geschlossen und das Beatmungsgerät ausgestellt. Er wartete. Und er brauchte nicht lange zu warten, bis der neugeborene Vampir mit einem tiefen Atemzug hochschreckte und die Augen aufschlug. Noch ängstlich sah Stuart seinen Erschaffer an, der ihn anlächelte.
„Ich denke, wir können den Verband jetzt abnehmen“, meinte Jason und half dem Jungen, die Bandagen zu lösen.
„Was ist passiert?“, fragte dieser und tastete mit der Zunge vorsichtig über die vorderen Zahnreihen. Etwas hatte sich verändert, aber er konnte nicht sagen, was.
„Das erzähle ich dir später. Jetzt frag nicht soviel und folge mir einfach“, gab Jason leise zur Antwort. Er öffnete die Türe einen Spalt. Der Gang vor ihm war leer und still. Er gab dem Jungen hinter ihm ein Zeichen, ihm zu folgen. Ganz in der Nähe waren die Blutkonserven in einem Kühlraum aufbewahrt. Dorthin würde er Stuart als erstes führen, damit dieser seine Kräfte vollständig entwickeln konnte. Dann würden sie unbemerkt, wie zwei Schatten, wieder in die Highlands reisen, wo Jason dem neuen Engel der Nacht die Gesetze ihrer Rasse nahebringen musste. Jasons Einkäufe blieben in dem Krankenzimmer zurück.
Commissioner McKenzie, der nach dem Verschwinden des Komapatienten gerufen wurde,
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