Macabros 102: Die Finsterlinge von Krosh
Schlafende ihn gerissen hatte.
Seine Sorge galt dem Schicksal Carminias und Björns, die im
Ewigkeits-Gefängnis auf einer Grenze zwischen Wachen und
Träumen schmachteten. Und nur wenn er hier erfolgreich war, wenn
er die Gefahren meisterte, die sich ihm entgegenstellten, wenn er das
»Singende Fahsaals« fand und sich dann von diesem
Doppelkörper löste und mit dem »Fahsaals« das
Schreckenszentrum erreichte – gab es vielleicht die
Möglichkeit, jenen schicksalsträchtigen Tag in Stonehenge
vergessen zu machen…
Aber dies alles war Zukunftsmusik.
Im Augenblick beherrschte die Gegenwart ihn, die Sorge um die
Frauen aus Varone und um Bolonophom, den Loark-Mann.
Er war wie sie Gefangener in einer zweidimensionalen Wirklichkeit,
in einer Glasfläche, in der er lebte.
Lebte?
»Bolonophom!« Macabros rief den Namen seines neuen
Freundes mehrere Male. Seltsam hohl und leer klang seine Stimme in
der flockigen Finsternis der Welt des Schlafenden.
Er hatte ihn in die Tiefe geholt. Er hatte dies provoziert, ohne
zu wissen, ob es richtig war. Richtig war es insofern gewesen,
daß er nur so und nicht anders Gewißheit über
Bolonophoms Schicksal gewann. Doch nun mußte sich
herausstellen, ob es auch möglich war, aus dem Eindringen in die
Welt des Schlafenden Kapital zu schlagen.
Oder war er wie Bolonophom nun ein Gefangener der flockigen
Finsternis? Zwar auf andere Weise, da sein feinstofflicher
Körper offensichtlich nicht von den zweidimensionalen
Glasflächen eingefangen hatte werden können – aber
doch im Reich des Schlafenden gekettet. Bis in alle Ewigkeit.
Zumindest würde diese Ewigkeit solange währen, so lange
Geist und Psyche an den Doppelkörper gebunden blieben. Wenn der
Originalkörper, in dem dieser Geist zu Hause war, von Molochos
attackiert wurde oder wenn sonst eine unerwartete Situation eintrat,
würde sich alles von Grund auf ändern.
»Bolonophom? Kannst du mich hören, sehen? Gib mir ein
Zeichen, wenn es möglich ist…« Macabros schlug mit der
flachen Hand auf die mannshohe Glasscheibe, auf der der Loark-Mann
sich bewegte.
Bolonophom reagierte nicht auf sein Rufen, nicht auf seine
Gesten.
Er schien vielmehr weiterhin selbst daran zu arbeiten, einen
Ausweg aus seiner unheimlichen Gefangenschaft zu finden.
Sein Kopf bewegte sich hin und her, auf der Spiegelfläche
glitten seine Hände entlang, als suchten sie einen Spalt, eine
Fuge, um die »Mauer«, die ihn umschloß,
aufzubrechen…
Die Dunkelheit um Macabros bewegte sich hektischer. Mehr als
einmal schossen ihm auch Schatten-Tentakel entgegen, die ihn
angriffen und immer wieder gegen eine freie Glaswand zu pressen
versuchten. Doch bei ihm funktionierte offensichtlich ein
präzise eingefahrener Mechanismus nicht.
Da faßte er einen Entschluß.
Das Schwert des Priesters hielt er noch immer umklammert. Es war
dazu benutzt worden, den unglücklichen Gefangenen die Köpfe
abzutrennen, es wurde dazu benutzt, Feinde zu töten - und selbst
der Eigentümer fürchtete die Waffe wie die Pest. Vielleicht
steckten besondere Kräfte in ihr…
Macabros ließ es auf einen Versuch ankommen.
Wo Bolonophom und seine Kraft nicht ausreichten, das Glas zu
brechen - vielleicht würde es das Schwert schaffen…
Macabros riß es empor und versetzte der Glasfläche von
der Seite her einen Hieb, in den er alle seine Kraft legte.
Der Erfolg war durchschlagend.
Als das Schwert die Glasoberfläche berührte, gab es
einen Klang, der sich anhörte, als hätte jemand einen
riesigen Gong angeschlagen. Laut und langanhaltend dröhnte das
Geräusch durch die flockige Finsternis und schien überhaupt
kein Ende nehmen zu wollen.
Die Düsternis erbebte.
Knirschend bildeten sich Risse auf der Glasoberfläche.
Wie Spinngeweb sah das Muster aus, das dort entstand.
Plötzlich lösten sich schwerelos die Brocken ab und
schwebten davon, langsam und behäbig wie in Zeitlupe.
Wie ein dünnes Papierbild, eine hauchdünne Folie, kippte
Bolonophom nach vorn, während der Gong weiter echote und in
Macabros’ Ohren dröhnte.
Der Loark-Mann gewann blitzschnell an Volumen, als er Macabros
entgegenfiel. Es sah aus, als würde ein mannsgroßer
Luftballon, der das Aussehen eines Menschen hatte, sich mit Gas
füllen.
Die Glasplatte löste sich vollständig auf.
Hunderte kleiner und großer Splitter schwebten durch die
flockige Finsternis und wurden dann wie von einem Vakuum in die
gähnende Dunkelheit gesaugt, das die ganze Zeit hinter der
spiegelnden Fläche lag.
Zwischen
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