Madame Fabienne
aber sie waren viel zu weit weg, um etwas verstehen zu können.
Die beiden fingen an, mit den Händen durch die Luft zu fuchteln, was vielleicht hieß, dass sie unterschiedliche Meinungen hatten. Es brauchte noch einen Moment, dann sah es aber so aus, als hätten die zwei eine Entscheidung getroffen. Sie gingen zurück zu ihrem Citroën, und dabei zeigte der Mann auf die gelbe Telefonzelle. Gleich darauf stiegen die zwei wieder in den Wagen und fuhren davon.
Fabienne wandte sich vom Fenster ab, "Vielleicht haben wir noch mal Glück gehabt."
"Schwer zu sagen."
"Wir müssen diese Stadt verlassen."
"Und unser Geld?"
Das war natürlich das Problem. Fabienne atmete hörbar aus, sagte aber nichts mehr. Sie ging durch den Bungalow in den Wintergarten und setzte sich in einen der Korbsessel. Wie sollte es jetzt weitergehen? Auf alle Fälle müssten sie etwas unternehmen, nur abzuwarten war nicht genug.
Véronique kam zu ihr und trank Mineralwasser aus einem hohen Glas.
"Ob die beiden uns bemerkt haben?"
Véronique zögerte, "Dann werden sie wieder kommen."
"Das ist keine Antwort."
"Ich weiß es auch nicht."
Fabienne machte die Glastür auf und ging ein Stück weit nach draußen. Vor ihr lag das offene Feld, und der Boden war noch weich, weil es erst geregnet hatte. Es dämmerte bereits, und ein weißgrauer Himmel lag über der Region. Hier und da standen Bäume, deren Zweige aussahen wie knorrige Finger, die nach etwas greifen wollten. Von hier aus konnte man auch ein Stück von dem Weg sehen, auf dem sie schon in der Nacht gefahren waren, als sie die beiden Toten begraben hatten.
Véronique schloss zu ihr auf, "Wir können hier nicht bleiben. Ist dir das eigentlich klar?"
"Wir verstecken uns hier noch, bis die Nacht kommt, dann holen wir das Geld und verschwinden." Fabienne schloss einen Moment die Augen und fing an, sich zu konzentrieren. Hier draußen war etwas, ein Gewisper, ein Netz aus Stimmen, die sich überlappten. Es waren die Toten, die im Grund ruhten und sprachen.
Véronique trat nah an sie heran, damit sie flüstern konnte, "Und? Wie sieht es aus?"
"Ich kann sie hören."
"Sind es viele?"
"Ja."
Ein kalter Wind kam auf und trieb die Wolken am Himmel. Véronique strich sich eine rote Haarsträhne hinters Ohr, "Vielleicht geht alles glatt, und Vacaro zahlt uns aus."
"Vielleicht aber auch nicht."
Véronique zeigte auf den Boden, "Wenn wir in Bedrängnis geraten, kannst du dann... die da rufen."
Sie nickte. "Es wird schwierig, aber wenn Vacaro kämpfen will, dann werden die Toten aufstehen und ihn jagen."
31
Jean Claude ging durch das Großraumbüro und setzte sich an seinen alten Platz: Ob er hier jemals wieder Frachtbriefe tippen würde? Seine Sendungen hatte alle Martin übernommen, und an seinem Schreibtisch konnte man nichts mehr entdecken, was an ihn erinnerte. Es war schon erstaunlich, wie schnell man ihn ersetzt hatte.
Was würde nun aus ihm werden?
Gute Frage. Aber dazu fiel ihm spontan auch nichts ein. Wahrscheinlich war es eh besser, wenn er sich erst mal Gedanken darüber machte, was ihm später noch bevorstand. Ob Vacaro es eigentlich ehrlich meinte und Fabienne das Geld auszahlen würde? Oder war das eine Falle? Wenn es eine wäre, säße er auch mit drin.
Er tat nun so, als räume er ein bisschen auf dem Schreibtisch auf, aber tatsächlich beobachtete er die beiden Männer vom Sicherheitsdienst. Sie hatten die Arme auf dem Rücken verschränkt und unterhielten sich, doch er war zu weit weg, um hören zu können, was sie da sprachen. Ob sie über ihn redeten? Hin und wieder sahen sie zumindest in seine Richtung, aber das hatte vielleicht nichts zu bedeuten, sie mussten eben auf ihn aufpassen.
Oder wussten sie doch mehr über ihn? War es möglich, dass Vacaro ihnen bereits gesagt hatte, was man mit ihm machen würde?
Wie ihn das alles anekelte. Er wandte sich ab und sah zur Fensterfront: Draußen war es inzwischen schon dunkel geworden, und auf dem Werksgelände brannten die Laternen. Im Großraumbüro war nur noch die Spätschicht anwesend, ein Handvoll Leute, die an ihren Computern saßen. Man hörte, wie sie tippten und manchmal telefonierten. Sie fertigten die Sendungen ab, die heute Nacht noch rausgehen sollten.
Eine der Metalltüren ging nun auf, und die Putzkolonne kam herein. Eine der Frauen fing an, Staub zu saugen, und das Gebrumme ging ihm auf die Nerven. Vielleicht könnte er sich irgendwie absetzen, bevor man das Geld übergab. Ob das möglich wäre? Aber wenn
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