Madonna
Fenchelsamen enthielt. Ihn gab sie Öllinger. »Gießt ein wenig davon mit heißem Wasser auf, lasst es ziehen, und dann trinkt es mehrmals täglich.«
Er nahm den Beutel. »Ich danke Euch.« In seinem Blick lag ein warmer Ausdruck, dem Katharina lieber auswich. Sie mochte Öllinger, und sie schätzte ihn für die medizinischen Dispute, die sie mit ihm bestreiten konnte. Seit sie ihn im Haus von Hartmann Schedel kennengelernt hatte, hatte sich zwischen ihnen so etwas wie eine kollegiale Freundschaft entwickelt. Sie wollte, dass es auch dabei blieb, darum versuchte sie, ihm möglichst wenig Grund zu der Annahme zu geben, ihr könnte ebenfalls an einer Verbindung mit ihm gelegen sein.
»Ihr fragtet mich nach Tobias«, sagte sie, um dem zuvorzukommen, was immer ihm auf der Zunge lag. »Ich habe mich heute kurz mit ihm unterhalten, und er hat einige sehr merkwürdige Dinge gesagt.«
»Merkwürdige Dinge?« Öllinger steckte den Beutel in seine Tasche.
Katharina setzte sich, bevor sie ihm antwortete. »Er hat sich für schuldig am Tod einer meiner Patientinnen gehalten.« Sie musterte Öllinger. Und stand wieder auf. »Ich denke, ich werde Euch gleich einen Kräutersud kochen«, schlug sie vor. »Ihr seht wirklich ein wenig elend aus.« Sie stellte den Wasserkessel auf den Herd und schürte die Glut in der Asche. Dann wandte sie sich zu dem Apotheker um.
Öllinger lächelte mitfühlend. »Ein Todesfall? Oh. Stimmt! Dr. Spindler hat mir gesagt, dass heute eine Eurer Patientinnen gestorben ist. Es tut mir leid!« Er wusste, wie sehr es Katharina mitnahm, wenn sie eine der Frauen verlor. Sie hatte ihm einmal davon erzählt.
Mit einem schwachen Lächeln nahm sie die Beileidsbekundung hin, brachte das Gespräch aber zurück auf Tobias. »Warum glaubt er, dass er den Zorn Gottes auf jeden herabbeschwört, dem er begegnet?«
Die Linien in Öllingers Gesicht wurden noch eine Spur tiefer. »Es sind schlimme Dinge passiert in Heilig-Geist!«
Genau dieselben Worte hatte Donatus früher am Tag auch benutzt. Katharina kniff die Augen zusammen und wartete, ob Öllinger von sich aus weiterreden würde, doch das tat er nicht.
Auf dem Herd begann der Wasserkessel zu singen.
Schließlich räusperte Öllinger sich. »Frau Jacob, bitte!« Er errötete. »Das sind Dinge, die für eine Frau …«
Noch ein Mann, der sie beschützen wollte? Ansatzlos hob Katharina die Hände. »Verschont mich mit Eurer Fürsorge!«, bat sie kühl. »Ich weiß, dass Donatus sich zu Knaben hingezogen fühlt …« Erschrocken hielt sie inne, weil sie dieses Wissen preisgegeben hatte. War sie von allen guten Geistern verlassen? Fieberhaft überlegte sie, was sie nun tun sollte, aber es war ohnehin zu spät, also konnte sie genauso gut beenden, was sie hatte sagen wollen. »Ich bin nicht daran zerbrochen. Was also glaubt Ihr …«
»Katharina! Nicht!«
Plötzlich stand Donatus in der Küchentür. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und er sah sehr finster aus. Katharina hätte im Boden versinken mögen vor Scham darüber, dass sie Öllinger gegenüber von seinen Neigungen gesprochen hatte.
»Es tut mir leid«, sagte sie.
Zu ihrer Überraschung zuckte er die Achseln. Er trat näher, ließ die Arme jedoch verschränkt. »Er wusste schon vorher über mich Bescheid«, sagte er, zog sich einen Schemel unter dem Tisch hervor und setzte sich. Die Arme stützte er auf der Tischplatte ab. Dann sah er Öllinger an. »Zusammen mit Dr. Spindler hat er damals versucht, Rotgerber davon abzuhalten, mich auf die Straße zu setzen.«
»Leider vergeblich«, nickte Öllinger. Für eine Weile schwiegen sie beide, und Katharina wagte es nicht, ihr Grübeln zu unterbrechen. Auf einmal herrschte große Anspannung im Raum.
»Kilian ist …«, sagte Öllinger schließlich, verstummte jedoch sofort, als Donatus ihn warnend ansah.
Katharina blickte von einem zum anderen. »Wer ist Kilian?«, fragte sie.
Donatus zog die Schultern hoch. Seine Hände, die noch immer um seine Oberarme lagen, verkrampften sich.
Katharina wartete. Herausfordernd sah sie Öllinger an.
Der wand sich. »Kilian war ein junger Scholar, genau wie Tobias.« Donatus ließ ein warnendes Geräusch vernehmen, aber das hielt den Apotheker nicht davon ab, weiterzureden. »Er sprang in die Pegnitz.« Er begegnete dem wütenden Blick des Baders und hielt ihm stand.
Katharina blinzelte. Sie begriff nicht, was zwischen den beiden Männern vorging. »Donatus?«, fragte sie.
Er musste sich sichtlich
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