Männer unerwünscht (German Edition)
mit. Wo war der unscheinbare, zurückhaltende Junge von damals? Ich staunte so sehr über seine Wandlung, dass ich darüber fast das Kündigungsschreiben vergaß.
Im Café Wünsche war Henrik wohl Stammkunde, denn die Bedienung begrüßte ihn namentlich und führte uns an einen Tisch am Fenster des feinen Lokals.
„Bist du wirklich ein Doktor?“ , flüsterte ich, als wir uns setzten.
„Ein juristischer, ja. Aber das weißt du doch. Ich hatte dich zur Doktorandenfeier eingeladen, aber du hattest an dem Tag eine Verabredung mit deinem Freund . “
Stimmt. Zu seinen hochgradig intellektuellen Veranstaltungen und Festlichkeiten hatte ich ihn ni e mals begleitet. Widerstrebte mir kolossal. Dass es damals um seinen Doktortitel ging, wurde mir erst jetzt klar.
„Und – was tust du jetzt so?“ , fragte ich, um einen unbeschwerten Tonfall bemüht. Bestimmt würde ich mir nun stundenlange Berichte über seinen schnurgeraden Weg an die Spitze der Businesswelt anhören müssen. Na egal. Ich hatte Zeit. Ich war arbeitslos.
Dorissack sitzt auf einer Bank und schält eine Birne.
Dorissack bringt Altglas zum Container.
Dorissack ist arbeitslos.
„Ich arbeite als Juniorpartner bei Spreckelsen & Unze. Aber das ist jetzt nebensächlich. Was ist los mit dir? Ich sehe dir doch an, dass etwas nicht stimmt.“ Merkwürdig, Henrik hatte schon immer ein feines Gespür für meine jeweilige Gemütslage.
„Dorissack ist arbeitslos“, murmelte ich.
„Sprichst du immer noch in der dritten Person von dir, nur weil dein Chef der deutschen Sprache nicht mächtig ist? Arbeitslos? Hat dich der Menschenschinder entlassen?“ Henrik zündete sich eine Zigarette an. Früher hatte er nicht geraucht. Ich friemelte mir ebenfalls eine Zigarette aus seiner Schachtel, bekam nach dem ersten Zug einen Hustenanfall und schilderte, als ich wieder zu Atem gekommen war, den Stand der Dinge. Ohne Emotionen. Die würde ich daheim in meinem Kämmerlein ausleben.
„Gegenstandslos“, sagte Henrik trocken.
„Wie jetzt?“ , fragte ich verwirrt.
„Die Kündigung ist nicht rechtsgültig. Die können wir problemlos anfechten.“ Er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und blies Kringel aus Rauch in die Luft.
„Ja, aber ...“, stammelte ich. Doch nicht arbeitslos? In meinem Innern brach ein Jubelsturm los. Beim Gedanken an das Elke-Immer-Arbeitsklima wurde der Jubel jedoch zusehends verhaltener.
„Wir werden erst mal den Weg der gütlichen Einigung einschlagen . Geht Kunze darauf nicht ein, marschieren wir vors Arbeitsgericht.“ Zack, zack, so läuft das unter Juristen. Ich war beeindruckt. Henrik, ein Mann von Welt, löst jedes Problem mit dem dazugehörigen Paragrafen.
„Okay, womit fangen wir an?“ , rief ich begeistert und krempelte meine Ärmel hoch. Es hielt mich kaum noch auf dem Sitz. Der Bruno kriegt einen reingewürgt, jucheee!
„B leib mal locker“, meinte er. Woher nahm der diesen lässigen Umgangston? Früher hatte er sich streng von jugendlichen Redewendungen distanziert. „Ich werde dich morgen früh begleiten und deinem Chef die Rechtslage verdeutlichen. Er wird den Kündigungswisch ganz schnell vernichten.“
„Klasse!“ , rief ich, sprang auf und umarmte Henrik stürmisch. Dieser wa r auf den Gefühlsübe r schwang nicht vorbereitet und fiel fast vom Stuhl. Die Kaffeetasse vor ihm auf dem Tisch geriet gefährlich ins Wanken.
„Willst du etwa weiterhin dort arbeiten?“ , fragte er entgeistert.
„Was denn sonst?“ , entgegnete ich und setzte mich wieder sittsam auf meinen Platz.
„Ich predige schon seit Jahren, dass du etwas aus deinem Leben machen sollst. Jetzt hast du en d lich die Gelegenheit dazu. Nun ja – warten wir erst mal ab, was aus der Sache herausspringt.“
Herausspringt? Was meinte er damit? Ich konnte ihm nicht folgen. Dafür konnte ich mich aber voll und ganz auf ihn
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