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Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele

Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele

Titel: Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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blickte kurz zu Alice neben ihm, die wie alle anderen mit geradem Rücken im Schneidersitz auf dem Boden saß, Kopf und Blick geradeaus gerichtet. Mit zwei Fingern trommelte sie ihm auf den Fußknöchel, ihre sanfte Ermahnung, wach und aufmerksam zu bleiben.
    Er hätte ihr gern erzählt, dass ihm scheißegal war, was Vater heute und an allen anderen Abenden zu sagen hatte. Und nach gestern Nacht wünschte er sich, dass es Alice auch scheißegal wäre. Gütiger Himmel, er war so müde. Er sehnte sich nach ein paar Minuten Schlaf. Seine Lider begannen sich wieder zu senken, und diesmal spürte er ein Zwicken. Er richtete sich auf, strich sich mit der Hand übers Gesicht und drückte Daumen und Zeigefinger auf die Augen. Wieder ein Ellbogenstoß. Herrgott nochmal!
    Er warf ihr einen finsteren Blick zu, doch Alice ließ sich von ihrer angemessen bewundernden Aufmerksamkeit für Vater nicht ablenken. Vielleicht hatte ihr ja gefallen, was der Typ gestern Nacht mit ihr gemacht hatte. Vielleicht hatte sie das richtig angetörnt, und was er für eine Grimasse des Abscheus gehalten hatte, war der Ausdruck eines Orgasmus gewesen. Scheißdreck! Er war einfach müde und musste aufhören, über gestern nachzudenken. Er richtete sich auf und faltete die Hände im Schoß.
    Heute nahm Vater sich wieder die Regierung vor, sein Lieblingsthema. Justin musste zugeben, dass einiges von dem, was er sagte, Sinn ergab. Er erinnerte sich, dass sein Großvater Eric und ihm ebenfalls von Regierungsverschwörungen erzählt hatte. Und wie die Regierung JFK umgebracht hatte. Und dass die Vereinten Nationen eine Verschwörerbande war, um die Weltherrschaft zu übernehmen.
    Sein Vater hatte immer gesagt: „Der Alte hat ein paar Schrauben locker.“ Aber er hatte seinen Großvater geliebt und verehrt. Er war ein Kriegsheld gewesen und hatte die Ehrenmedaille vom Kongress erhalten, weil er in Vietnam seine ganze Einheit gerettet hatte. Die Medaille hatte er gesehen und die Briefe und Fotos, eines sogar mit Präsident Lyndon Johnson. Echt cool. Sein Dad hatte diese ganzen Sachen allerdings verabscheut. Wahrscheinlich noch ein Grund, warum er seinen Grandpa so geliebt hatte. Sie hatten etwas gemeinsam gehabt: Es gelang ihnen beiden nicht, die Anerkennung seines Dad zu erringen.
    Dann war Großvater plötzlich letztes Jahr gestorben. Stinksauer war Justin, dass der alte Mann ihn einfach so im Stich gelassen hatte. Natürlich wusste er, was für eine beschissene Einstellung das war. Schließlich traf den Großvater keine Schuld. Aber er fehlte ihm so schrecklich. Seit seinem Tod hatte er niemanden mehr zum Reden, besonders seit Eric weg war.
    Eric hatte Granddad auch vermisst, das wusste er, aber Eric war ein viel zu großer Scheißmachotyp, um es zuzugeben. Knapp drei Wochen nach der Beerdigung schmiss Eric die Uni. Und da war zu Hause die Hölle los gewesen.
    „Entschuldige, langweile ich dich?“ donnerte Vaters Stimme durch den Raum.
    Justin richtete sich auf, doch er saß bereits so gerade, wie er konnte. Er spürte, wie Alice seinen Knöchel so fest hielt, dass sich ihre Fingernägel durch die Socken in seine Haut bohrten.
    Mist! Jetzt steckte er in der Scheiße. Alice hatte ihn gewarnt, dass Träumereien während Vaters Vorträgen zur Bestrafung führten.
    Ach, was soll’s? Dann schickte er ihn eben wieder in die Wälder. Vielleicht haute er diesmal einfach ab. Er brauchte diesen ganzen Mist nicht. Vielleicht konnte er sich irgendwo mit Eric treffen.
    „Antworte mir!“ verlangte Vater, während es im Raum still wurde. Niemand wagte sich umzudrehen und den Schuldigen anzusehen. „Findest du meine Ausführungen so langweilig, dass du lieber schläfst?“
    Justin blickte auf, bereit, Vaters Strafe anzunehmen. Doch Vater sah links an ihm vorbei. Und nun begann sich der alte Mann neben ihm unruhig zurechtzurücken. Justin sah ihn mit schwieligen Hände den Saum seines blauen Arbeitshemdes kneten. Er kannte ihn aus der Bauarbeitertruppe. Kein Wunder, dass der arme Kerl schlummerte. Die Mannschaft malochte rund um die Uhr, um Vaters Wohnquartier noch vor dem Winter umzubauen, was lächerlich war, wenn sie sowieso alle irgendwann in ein Paradies umzogen. Bestimmt würde sich einer aus der Truppe erheben und Vater erinnern, wie viele Stunden sie hart für ihn arbeiteten. Doch alle schwiegen betreten und warteten ab.
    „Martin, was hast du dazu zu sagen?“
    „Ich denke, ich ...“
    „Steh auf, wenn du mit mir sprichst!“
    Während der

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