Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
Fall, dass wir das Land verlassen müssen.“
Sie musste skeptisch ausgesehen haben, denn er nahm ihre Hände und hielt sie vorsichtig wie zerbrechliche Rosenblüten.
„Sie müssen mir vertrauen, Kathleen, meine Liebe. Ich würde nie zulassen, dass einem von uns ein Leid geschieht. Aber es gibt Menschen, böse Menschen, in den Medien und in der Regierung, die uns zerstören wollen.“
„Leute wie Ben Garrison“, sagte Stephen mit einer ungewöhnlichen Schärfe, die Kathleen überraschte und ihm von Vater ein Lächeln eintrug.
„Ja, Leute wie Ben Garrison. Er konnte zwar nur wenige Tage im Lager sein, ehe wir seine wahre Motivation entdeckten, aber wir sind immer noch nicht sicher, was er gesehen hat. Und wir wissen nicht, welche Lügen er über uns verbreitet.“
Geistesabwesend hielt er immer noch Kathleens Hände in seinen und begann ihre Handflächen zu streicheln, während er weiter mit Stephen sprach. „Was wissen wir über die Hütte? Wie haben die FBI-Leute überhaupt davon erfahren?
„Das weiß ich immer noch nicht genau. Vielleicht durch ein verprelltes Exmitglied?“
„Vielleicht.“
„Es ist alles verloren“, erwiderte Stephen und blickte auf seine Hände, unfähig, Vater anzusehen.
„Alles?“
Stephen nickte nur. Kathleen hatte keine Ahnung, wovon sie sprachen, aber Vater und Stephen redeten oft von Geheimmissionen, die sie nichts angingen. Momentan konnte sie sich nur darauf konzentrieren, wie Vaters große Hände ihre kleineren massierten, was ihr das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Zugleich wurde ihr jedoch warm und leicht unbehaglich. Sie wollte ihm die Hände entziehen, wusste aber, dass das falsch wäre. Für Vater war das nur eine Geste des Mitgefühls. Was fiel ihr ein, etwas anderes hineinzuinterpretieren? Bei dem Gedanken wurden ihr die Wangen warm.
„Wir haben ein Problem“, sagte Stephen.
„Ja, ich weiß. Ich kümmere mich darum. Müssen wir ...“ Vater suchte zögernd nach den richtigen Worten. „Müssen wir unsere Abreise beschleunigen?“
Stephen zog einige Papiere und eine Landkarte hervor, brachte sie zu Vater, ging auf einem Knie neben ihm in die Hocke und zeigte ihm einiges.
Kathleen beobachtete Stephen und seine Gesten. Der Mann erstaunte sie immer wieder. Obwohl groß und schlank mit makelloser dunkler Haut, jungenhaftem Gesicht und scharfem Verstand wirkte er schüchtern und still, als warte er ständig auf Erlaubnis, sprechen zu dürfen. Vater sagte, Stephen sei brillant, aber gleichzeitig viel zu bescheiden. Er nahm nur ungern Lob an und war ein wenig zu durchschnittlich in seinem Verhalten, um aufzufallen. Er war der Typ Mann, den man nicht leicht bemerkte. Und Kathleen fragte sich, ob das seinen Alltagsjob erschwerte.
Sie versuchte sich zu erinnern, was er im Capitol machte. Obwohl sie Stunden mit Stephen und Emily bei solchen Zusammenkünften verbrachte, wusste sie nur wenig über die beiden. Stephens Position schien wichtig zu sein. Sie hatte ihn mal seine hohe Sicherheitsstufe erwähnen hören, und ständig ließ er die Namen von Senatoren und deren Referenten fallen, mit denen er gesprochen hatte oder mit denen er sich in Verbindung setzen musste. Offenbar nützte seine Position Vater und der Kirche.
Stephen war die Papiere mit ihm durchgegangen, stand auf und zog sich zurück. Kathleen wurde bewusst, dass sie kein Wort der Unterhaltung mitbekommen hatte. Sie sah Vater ins Gesicht, um zu sehen, ob ihm ihre Unaufmerksamkeit aufgefallen war. Seine olivfarbene Haut und die Bartstoppeln am Kinn ließen ihn älter erscheinen, als er war. Um Augen und Mundwinkel hatten sich neue Linien gebildet. Er stand unter einem Druck, der zu viel war für einen Mann. Das hatte er ihnen oft erzählt, aber stets hinzugefügt, er könne sich dem nicht entziehen. Gott habe ihn auserkoren, seine Getreuen in ein besseres Leben zu führen. Schließlich ließ er Kathleen los, zog die Hände zurück und faltete sie. Zunächst hielt sie das für eine Gebetsgeste, bis sie merkte, dass er seinen Jackensaum knetete, eine subtile, verräterische Geste.
„Die, die uns zerstören wollen, rücken mit jedem Tag näher“, vertraute er ihnen mit gedämpfter Stimme an. „Es gibt Möglichkeiten, einige unserer Feinde zu vernichten, aber andere können nur vorübergehend in Schach gehalten werden. Alles, was in der Hütte gelagert war, diente unserem Schutz und unserer Sicherheit. Wenn alles verloren ist, müssen wir einen anderen Weg finden, uns zu schützen. Wir müssen
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