Magnus Jonson 02 - Wut
Polizei Reykjavík. Ich möchte gern zu Harpa.«
»Oh, hallo! Komm herein!«, sagte die Frau. Als Árni die Schuhe auszog, merkte er, dass Harpas Sohn ihn anstarrte. Er hatte unverkennbar Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Óskar Gunnarsson.
Harpas Mutter, die sich als Gudný vorstellte, führte Árni in die Küche. Ihr Enkel verschwand im Wohnzimmer.
»Ist was mit Harpa?«, fragte Gudný.
»Nein«, sagte Árni. Fast hätte er hinzugefügt: »Glauben wir wenigstens nicht«, doch er besann sich eines Besseren. »Weißt du, wo sie ist?«
»Sie ist mit Björn unterwegs, ihrem Freund.«
»Aha. Und weißt du auch, wohin sie gefahren sind?«
»Hat sie Probleme?«
»Wir brauchen nur ihre Hilfe bei einer Ermittlung. Es geht um den Tod von Gabríel Örn Bergsson.«
»Ach, das.« Die Falte auf der Stirn wurde tiefer. »Nein. Ich weiß nicht, wo sie ist. Mein Mann wollte Markús zu ihr bringen, sie wohnt um die Ecke, da fand er einen Zettel. Darauf stand lediglich, sie wäre ein paar Tage mit Björn unterwegs.«
»Wohin sie wollten, stand nicht dabei?«
»Nein.«
»Hast du Kontakt zu ihr gehabt?«
»Nein«, sagte Gudný, immer noch stirnrunzelnd.
»Was ist mit Markús?«, fragte Árni. »Will sie denn nicht mit ihm reden? Ihm wenigstens ‚Gute Nacht‘ sagen?«
»Nein. Ich habe versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber das war abgestellt.«
»Findest du das sonderbar?«, fragte Árni.
Gudný seufzte. »Ja. Ein bisschen schon. Ich meine, sie meldet sich immer, wenn sie bei Björn ist. Um mit Markús zu sprechen, aber auch so. Ist was mit ihr?«
»Wir wissen es nicht«, erwiderte Árni. »Wir glauben, dass sie mit Björn in Grundarfjörður ist. Oder war. Björn wurde gesehen, als er Vorräte in seinen Pick-up packte. Was glaubst du, wohin sie gefahren sein könnten?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht zelten? Oder er ist mit ihr mit einem Schiff rausgefahren? Keine Ahnung.«
Árni wägte die Antwort ab. Die Unwissenheit der Frau wirkte nicht gespielt. Sie wusste tatsächlich nicht, wo ihre Tochter war.
»Meinst du, sie hat sich mit Björn gestritten?«
»Nein«, sagte Gudný. »Zumindest nicht dass ich wüsste. Ich glaube, die beiden haben sich noch nie gestritten.«
Árni hob die Augenbrauen. Seiner Erfahrung nach gab es in jeder Beziehung mal Streit.
»Harpa schaut zu Björn auf«, erklärte Gudný. »Sie verlässt sich auf ihn. Sie hat ein sehr schlimmes Jahr hinter sich. Zuerst hat sie die Arbeit verloren, dann hat sich ihr Freund umgebracht. Björn war für sie wie ein Fels in der Brandung.«
Árni war sich ziemlich sicher, dass er aus Harpas Mutter nicht mehr herausbekommen würde. Es lag auf der Hand, dass sie von ihrer Tochter nicht in deren Sorgen eingeweiht wurde. »Du sagst, dein Mann hätte den Zettel gefunden?«
»Ja.«
»Ist er auch da?«
»Ja, er werkelt in der Garage herum.«
»Kann ich mit ihm sprechen?«
Gudný führte Árni aus der Küche hinters Haus. »Er bindet Fliegen«, erklärte sie. »Er ist ein passionierter Fliegenfischer. Hochseeangeln geht nicht mehr, deshalb hat er sich aufs Fliegenfischen verlegt. Er war gerade ein paar Tage im Norden.«
Einar, Harpas Vater, hatte nur wenig Ähnlichkeit mit seiner Tochter. Er war ein kräftiger, untersetzter Mann mit grauem Haar,
kalten blauen Augen und dem wettergegerbten Gesicht eines Menschen, der Jahrzehnte auf den Wellen des Nordatlantiks verbracht hatte.
Als sie einander vorgestellt wurden, verriet irgendetwas an der Körpersprache von Einar dem Polizisten, dass er mehr als seine Frau über Harpa wusste. Der Besuch des Beamten überraschte ihn nicht. Er wusste, dass seine Tochter in Schwierigkeiten steckte.
»Darf ich mit deinem Mann vielleicht kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte Árni.
Gudný zögerte, dann zog sie sich zurück.
Árni schaute Einar über die Schulter: Er schien tatsächlich Fliegen zu binden – Árni sah etwas in einem Schraubstock unter einer Lupe und untersuchte es genauer. Es waren schlichte Federn, um einen Haken gewickelt.
»Sieht für mich nicht gerade nach einer Fliege aus«, bemerkte er.
»Du bist ja auch kein Lachs«, entgegnete Einar.
»Stimmt.«
»Warst du schon mal Fliegenfischen?«, fragte der Alte.
»Nein. War mir immer ein bisschen zu teuer«, bemerkte Árni.
»In den letzten ein, zwei Jahren ist es billiger geworden, seit der kreppa . Aber die Leute haben weniger Geld zum Ausgeben. Die guten Flüsse kann ich mir auch nicht mehr leisten.«
»Deine Frau sagt, du seist
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