Matharis Kinder (German Edition)
lopunischen Blumenhüter näherten sich seitlich der Wand aus Gischt und Wassernebel – und verschwanden dahinter!
Am Schluss waren noch die die beiden Träger mit der alten Meisterin übrig. Die alte Frau winkte die Gäste an sich vorbei.
Da hinein sollten sie? Hinter einen Wasserfall?!
Als Erster setzte sich Pariko in Bewegung. Ohne sich umzublicken verschwand er in der Weißen Gischt. Aufmunternd nickte Janael seinem jungen Gefährten zu, bevor er dem Bei spiel des Wandlers folgte. Torian blieb keine andere Wahl, als dem alten Mann zu folgen. Vorsichtig, mit wackelnden Knien setzte er seine Füße auf die glitschigen Steine.
Den Schluss des Zuges bildeten die Träger mit der Alten.
War das ein halsbrecherisches Vorwärtskommen! Die vermummte Gestalt schien jeden Moment von ihrem schwankenden Sitz herunter zu fallen. Doch die Alte vertraute ihren Helfern. Hoch aufgerichtet verharrte sie in königlicher Gelassenheit auf ihrem Brett, mit dem sie auf eigentümliche Art verwachsen zu sein schien.
Hinter dem Wasserfall führte ein Pfad in völlige, stock schwarze Dunkelheit mitten in den Berg hinein. Das Donnern des Wasserfalles entfernte sich, bis nur noch tappende Schritte zu hören waren.
Torian hatte das Gefühl, d en ganzen Berg zu durchqueren. Endlich kam das Ende des Tunnels in Sicht. Dahinter tat sich eine leuchtend grüne, terrassierte Fläche auf.
Der Junge blinzelte in das helle Tageslicht – und blinzelte gleich noch einmal. Er konnte kaum glauben, was er sah...
Es war die größte Pflanzung, die er jemals gesehen hatte.
Mathari-Blumen! Nichts als Mathari-Blumen so weit sein Auge reichte! In jeder Wachstumsphase gediehen sie. Winzige, gerade erst gekeimte Pflänzchen. Freudig sich der Sonne entgegen reckende Blumen. Bis hin zu jenen, die ihre Blüte hinter sich hatten und stolz die unverwechselbaren, silbrig durchscheinenden Samenkapseln trugen. In wenigen Stunden würden die reifen Kapseln aufplatzen und Heer scharen von winzigen Sternchen in die Welt hinaus senden.
In dieser Pflanzung ließ man es allerdings nicht so weit kommen. Hier gab es keinen Wind, der die Samen weit genug hätte tragen können. Bevor sie sich aus ihrer Umhüllung befreien konnten, wurden sie sorgfältig abgeerntet.
Mit größter Selbstverständlichkeit ergriff Janael einen Ernte sack und machte sich an die Arbeit. Die erstaunten Blicke der Bergbewohner bemerkte er kaum. Sie wussten ja nicht, dass er einmal einer der Ihren gewesen war.
Torian und Pariko hatten noch nie Mathari-Samen geerntet. In Peona konnte man es in aller Ruhe den Mathari-Blumen selbst überlassen, wann sie ihre Kinder in die Welt aussenden wollten. Die Aufgabe der peonischen Blumenhüter beschränkte sich darauf, Verbreitung und Wachstum dieser Pflanzen zu über wachen. Auch in Peona gab es Pflanzungen. Kleine, sorgsam gehütete Flecken an besonders windgünstigen Stellen in freier Natur, wo Matharis Blumen in besonderer Fülle gediehen. In Lopunien musste eine Pflanzung an einem möglichst abgelegenen Ort liegen. Kein Wind wehte weit genug, um die Samen von dort zu den Gärten und Feldern der Menschen zu tragen.
Im Laufe des Vormittages füllten sich die Säcke. Sorgsam wurden sie zugebunden und bei der Alten abgestellt. Jeden neuen Sack begrüßte sie mit aus giebigem Nicken.
Erst als die letzte reife Kapsel abgeerntet war, gönnte man sich eine Pause.
Torians Magen hatte schon lange lautstark nach dem Frühstück verlangt. Nun betrachtete der junge Blumenhüter die dünne Brotscheibe in seiner Hand, als könnte er sie mit bloßer Willenskraft zum Wachsen bringen.
Gerade wollte er sich hinsetzen, da begegnete sein Blick den Augen der Alten. Sie sah zu ihm hoch, forderte ihn auf, näher zu treten. Zögernd setzte sich Torian in Bewegung. Dabei bemerkte er, dass seine beiden Gefährten dieselbe Einladung erhalten hatten. Mit einer Verbeugung ließen sie sich vor der Alten nieder, die sie mit einem Nicken und einem zahn losen Lächeln willkommen hieß.
„Habt Dank für eure Hilfe – und für die Ehre, dass wir euch helfen dürfen“, krächzte sie mit rasselnder Stimme, „nun nehmt, soviel ihr tragen könnt. Heute Nacht werden einige von uns zu Tal gehen und die Ernte auf den Feldern wieder aussähen. Ihr könnt euch ihnen für den ersten Teil eurer Heimreise anschließen. Alle unsere Wünsche werden euch begleiten. Und mein Segen.“
Nach den letzten Worten begann die Alte mit wackelndem Kopf und zitternden Fingern in den Tiefen
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