Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
Vom Netzwerk:
überbackenem Blumenkohl? Einen Meerrettichsalat?«
»Mach doch bitte nicht so ein Theater um nichts und wieder nichts.«
»Einen Brotpuddingsalat?«
Einer der Zwillinge schnaubte verächtlich.
Und während Cecilia schwante, was als nächstes kommen würde, geschah es auch schon. Betty drehte sich zu ihr um, packte sie am Arm und flehte sie an: »Bitte, Miss Cee, ein Braten sollte es sein. Den ganzen Tag haben wir uns abgeplagt, und das bei einer Hitze, die das Blut zum Kochen bringt.«
Die Szene war neu, die Zuschauer ein ungewohntes Element, doch das Problem war vertraut: Wie ließ sich der Friede wiederherstellen, ohne ihre Mutter zu demütigen? Außerdem hatte Cecilia nun doch wieder beschlossen, sich zu ihrem Bruder auf die Terrasse zu gesellen, weshalb sie unbedingt zu den Gewinnern gehören und eine rasche Entscheidung herbeiführen mußte. Sie nahm ihre Mutter beiseite, und die mit den Abläufen wohlvertraute Betty befahl jedermann, sich wieder an die Arbeit zu machen. Emily und Cecilia Tallis standen in der offenen Tür, die zum Kräutergarten führte.
»Wir haben eine Hitzewelle, Darling, und ich laß mir meinen Salat nicht ausreden.«
»Ich weiß, Emily, es ist viel zu heiß, aber Leon ist völlig verrückt nach Bettys Braten. Er redet pausenlos von nichts anderem, und selbst vor Mr. Marshall hat er schon damit angegeben.« »Ach, du lieber Himmel«, sagte Emily. »Mir geht es wie dir. Ich will ja auch keinen Braten, aber am besten überlassen wir die Wahl doch jedem selbst. Sag Polly, daß sie ein paar Salatblätter pflükken soll, und in der Speisekammer ist noch Rote Bete. Betty könnte ein paar neue Kartoffeln kochen und dann kalt stellen.« »Du hast völlig recht, Darling. Weißt du, ich würde den kleinen Leon wirklich nur ungern enttäuschen.«
So wurde es also beschlossen, und der Braten war gerettet. Betty fügte sich bereitwillig und trug Doll auf, neue Kartoffeln zu putzen; Polly ging mit einem Messer nach draußen.
Kaum hatten alle die Küche verlassen, setzte sich Emily eine dunkle Brille auf und sagte: »Bin ich froh, daß das endlich geregelt ist. Eigentlich mache ich mir nämlich Sorgen um Briony, weißt du. Sie dürfte ziemlich aufgebracht sein und läuft bestimmt irgendwo draußen herum und bläst Trübsal. Ich werde mal lieber nach ihr suchen.«
»Keine schlechte Idee. Ich habe mir auch schon Gedanken um sie gemacht«, sagte Cecilia und hatte keineswegs die Absicht, ihrer Mutter zu sagen, sie möge sich nicht allzu weit von der Terrasse entfernen.
    Der Salon, der Cecilia am Vormittag mit seinen Lichtparallelogrammen fasziniert hatte, lag nun im Halbdunkel und wurde nur noch von einer einzigen Lampe am Kamin erhellt. Die offene Terrassentür umrahmte einen grünlichen Himmel, vor dem sich, in einiger Entfernung, Kopf und Schultern ihres Bruders als vertrauter Umriß abhoben. Sie hörte Eiswürfel im Glas klirren, und als sie nach draußen ging, streifte sie Poleiminze, Kamille und Mutterkraut, die noch berauschender als am Vormittag rochen. Niemand konnte sich an den Namen oder gar an das Aussehen des kurzzeitig eingestellten Gärtners erinnern, der sich vor einigen Jahren darangemacht hatte, die Ritzen zwischen den Bodenplatten zu bepflanzen. Damals hatte niemand verstanden, was er damit bezweckte. Vielleicht war er deshalb entlassen worden.
»Schwesterchen! Ich schmore hier schon seit einer Dreiviertelstunde.«
»Entschuldige. Wo ist mein Glas?«
Ein niedriger Holztisch war an der Hausmauer mit einer kugelförmigen Paraffinlampe zu einer kleinen Bar hergerichtet worden. Endlich hielt sie ihren Gin Tonic in der
Hand. Sie zündete sich eine Zigarette an Leons Zigarettenglut an, und sie prosteten sich zu. »Dein Kleid gefällt mir.« »Kannst du es überhaupt sehen?« »Dreh dich um. Wunderbar. Diesen Leberfleck hatte ich ganz vergessen.«
»Wie läuft’s in der Bank?«
»Langweilig, aber höchst bequem. Wir können den Abend und das Wochenende immer kaum erwarten. Wann läßt du dich mal blikken?«
Sie schlenderten über die Terrasse und schlugen dann den Kiesweg zwischen den Rosen ein. Der Triton-Brunnen ragte vor ihnen auf, eine tintenschwarze Masse jetzt, deren vielgestaltiger Umriß sich gestochen scharf vor einem Himmel abhob, der mit schwindendem Licht immer grünlicher wurde. Sie hörten das Wasser tröpfeln, und Cecilia meinte sogar, es riechen zu können, silbrig und bitter, doch vielleicht war das auch nur der Drink in ihrer Hand. Nach einer Weile sagte sie: »Ich drehe hier

Weitere Kostenlose Bücher