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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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als Symbole für Jesus Christus und Lämmer aus Fleisch und Blut, die neben halben Hammelherden in den Schaufenstern arabischer Metzger hängen.
    Auf der Hauptgasse des arabischen Basars, hinter dem Damaskustor, ist kaum ein Durchkommen. Der Weg wird von Dutzenden Marktfrauen und Kräutermännlein versperrt, die mit Kopftuch oder Palästinensertuch vor Bergen von Salbei, Minze und Koriander hocken wie Glucken vor duftendem Grünzeug. Und natürlich kann ich unmöglich an ihnen vorbeigehen, ohne mich neben sie zu setzen, mit den zahnlosen Marktfrauen zu scherzen, an ihrer fantastischen Minze zu riechen, ihren Koriander zu probieren und mich von ihnen mit Salbei beschenken zu lassen wie ein Prinz aus dem Abendland. Was macht es schon, dass wir keine gemeinsame Sprache haben. Wir haben doch die Gewürze.
     

    Nach ein paar Metern, nach Dutzenden von Geschäften mit Fleisch und Fisch, Schmuck und FC-Barcelona-Trikots, die dem weltlichen Messias Lionel Messi huldigen, stoße ich auf meinen ganz persönlichen Garten Eden: einen prachtvollen Gewürzladen, an dessen Eingang wie ein pharaonisches Monument eine riesige Gewürzpyramide thront, geformt aus Sesamsamen, Thymian und Sumach, gekrönt von einem Modell des Felsendoms mit seiner goldenen Kuppel. Jakob, der muslimische Gewürzhändler mit dem Namen, den alle drei monotheistischen Religionen in Ehren halten, ist ein freundlicher, zurückhaltender Mann, der mich mit verschämtem Stolz seine hundert Gewürze kosten lässt – Pfeffer und Piment, Ingwer und Zimt, Nelken und Muskat, Curry und Kardamom, Weihrauch und Safran, die Dreißig-Gramm-Dose für sieben Euro.
     

    Sieben Euro? Ich runzle drohend die Stirn, schaue Jakob streng in die Augen – und der Gewürzhändler begreift sofort, dass er es mit jemandem zu tun hat, der sich nicht übers Ohr hauen lässt. »Das ist natürlich der Touristensafran«, sagt er entschuldigend und greift mit hochrotem Kopf ganz hinten ins Regal zum echten Safran, das Gramm für sieben Euro. Ich lache und herze meinen Jakob, und dann fachsimpeln wir auf Englisch über alle Gewürze dieser Erde, kosten dieses, kosten jenes. Ich erkläre ihm, dass die alten Griechen ihren Schulkindern Rosmarin ins Haar flochten, weil er das Gedächtnis stärkt. Und der Händler sagt mir, dass er nicht nur Gewürze für den Gaumen, sondern auch für die Gesundheit habe, so wie es seit Jahrhunderten Tradition im Orient sei. »Schau hier«, meint er, und zeigt seine Päckchen mit Mischungen gegen Leber-, Nieren- und Darmprobleme, gegen Impotenz, Übergewicht, Schlaflosigkeit, Bettnässen. Er hat tatsächlich für alle Malaisen das richtige Mittel parat, und alle Religionen, alle Konfessionen Jerusalems kaufen bei ihm ein. Wenn das nicht der beste Beweis dafür ist, dass Gewürze keine Grenzen kennen. Es gibt keine christlichen, islamischen oder jüdischen Gewürze. Sie gehören uns allen.
    Dann fragt mich Jakob, was ich eigentlich in Jerusalem mache. Ich sage ihm, dass ich auf einer Reise in die Welt der Gewürze sei, meiner Lebensreise. Er blickt mich mit großen Augen an. Die Reise der Gewürze? Und ich erzähle ihm von mir: dass es in meiner Kindheit kaum Gewürze gab, höchstens ein bisschen Majoran, Dill, Pfeffer, Zwiebeln, Knoblauch und viel zu viele Nelken im Blaukraut; dass ich dann Koch in Bayern geworden bin und zehntausendmal bayerischen Schweinsbraten immer auf dieselbe traditionelle Art zubereitet habe; dass ich mir eines Tages sagte, das könne ja wohl nicht der Sinn meines restlichen Lebens sein, und die Gotteslästerung beging, Schweinsbraten mit Ingwer zu machen; und dass ich so in die wunderbare Welt der Gewürze geraten bin.
     

    »Weißt du, Jakob, wir in Deutschland haben verlernt, uns richtig zu ernähren und die Gewürze richtig einzusetzen. Die Menschen wussten das jahrtausendelang. Es gibt 5000 Jahre alte babylonische Keilschrifttafeln, die zu fettem Fleisch eine Mischung aus Kreuzkümmel, Koriander, Dill und Wacholder empfehlen, weil diese Pflanzen verdauungsfördernd sind. Wir aber haben Angst vor vielen Gewürzen. Kreuzkümmel zum Beispiel kommt in unserer Küche so gut wie gar nicht mehr vor. Und in meinem Restaurant in München habe ich mich am Anfang gar nicht getraut, Gewürze auf die Karte zu schreiben und meine Kreationen verschämt ›Orientalischer Spinat‹ genannt. Doch es hat sich zum Glück etwas getan. Heute kann ich klipp und klar ›Spinat, gewürzt mit Koriander, Kreuzkümmel, Sumach‹ ankündigen, und die Leute

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