Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
wüssten, dass du dabei bist. Zumindest so lange nicht,
bis wir wissen, woran wir sind. Wenn du an der Vernehmung teilnimmst, dann als
Beobachter. Du kennst die Regeln - du musst dich nur daran halten.«
»Deine Regeln.«
»Ach Scheiße, Mann. Ich bin froh, dass du
mitfährst, aber es ist mein Zuständigkeitsbereich. Mein Fall. Und, du hast
recht, meine Regeln.« Er warf Bentz einen unnachgiebigen Blick zu. »Kommst du
jetzt mit oder nicht?«
»Das würde ich mir um nichts in der Welt
entgehen lassen«, sagte Bentz sarkastisch.
Er gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben, sich
nicht den schlimmsten Fall auszumalen, und kletterte auf den Rücksitz des
4Runner. Hayes fuhr, Martinez saß auf dem Beifahrersitz.
Wieder warf er einen prüfenden Blick auf sein
Handy: kein Anruf. Keine SMS. Nichts. Er versuchte, einen Sinn in die
Ereignisse des Nachmittags zu bringen, doch vergeblich. »Irgendwelche
Fingerabdrücke oder Hinweise in dem silbernen Chevy?«, erkundigte er sich.
»Das wissen wir noch nicht«, gab Martinez zu. Wie zum Teufel hatte Fortuna
Esperanzo im Pazifischen Ozean landen können, so nahe am Devil's Caldron?
Wieder und wieder rief er sich »Jennifers« Sprung ins Gedächtnis. Wie sie sich
von der Brüstung abgestoßen hatte, durch die Luft geschnellt und dann aus
seinem Blickfeld verschwunden war. Wie war das möglich?
Er versuchte, sich Szenarien auszumalen, die des
Rätsels Lösung sein könnten, und wenn auch nur, um sich von der einen Frage
abzulenken, die ihm unablässig im Kopf hämmerte:
Wo zum Teufel war Olivia?
Olivia war so erschöpft, dass sie sich kaum
bewegen konnte.
Außerdem war sie zu Tode verängstigt, in dieser
Dunkelheit, in einem stinkenden Verschlag, einer Art Käfig tief im Innern des
Bootes.
Diese Irre - Petrocelli oder wie auch immer sie
hieß - hatte vor, sie zu töten. Weil sie mit Rick verheiratet war. Und die
anderen Frauen waren tot, weil sie ihren Ehemann gekannt hatten.
Nein. Das stimmte nicht ganz. Alle toten Frauen
hatten Jennifer gekannt,
eine Frau, der Olivia nie begegnet war. Sie
waren umgebracht worden. Ermordet. Und das wird dir auch passieren, wenn du
nicht einen Weg hier raus findest.
Ihre Gliedmaßen waren nicht zu gebrauchen, ihr
Kopf drehte sich. Obwohl sie bei Bewusstsein war und die Augen weit
aufgerissen hatte, wollte ihr Körper einfach nicht gehorchen. Es war, als wäre
ihr Gehirn komplett von ihren Muskeln abgekoppelt, als schickten ihre Synapsen
falsche Signale.
Wie hatte sie nur so dumm sein können, dieser
Frau zu vertrauen? Warum hatte sie die Dienstmarke nicht sorgfältiger geprüft?
Mit Sicherheit arbeitete ihre durchgeknallte Entführerin nicht wirklich für
das LAPD. Woher willst du das wissen? Auch Cops können durchdrehen, und
Petrocelli ist möglicherweise eine Psychopathin.
Gleichgültig. Wer immer ihre Entführerin war,
sie hatte vor, sie zu töten.
Als sie sie aus dem Wagen gezerrt und in den
Schlafsack gesteckt hatte, hatte Olivia einen flüchtigen Blick auf eine dunkle
Straße und hoch aufragende Gebäude werfen können. Die Gegend roch nach Fisch.
Sie hatte gehört, wie die Frau ächzte und schnaufte, als sie Olivia auf eine
Art Karre hievte. Eine Karre mit mindestens einem quietschenden Rad. Olivia
hatte versucht zu schreien, mit Armen und Beinen zu rudern, um ihre Angreiferin
zu treffen oder die Aufmerksamkeit eines Passanten zu erregen. Doch ihr Hirn
war nicht in der Lage gewesen, ihre Gliedmaßen in Bewegung zu setzen, ihre
Muskeln zum Gehorsam zu zwingen. Die Elektroschocks hatten sie völlig außer
Gefecht gesetzt. Sie dachte an das Baby in ihrem Bauch ... Hatte es die
Stromstöße überlebt? Es tut mir leid, dachte sie, es tut mir so leid.
Die Karre rumpelte und schlingerte - Olivias
Entführerin schnaufte, als sie sie über den unebenen Boden schob. Olivia
horchte und hörte das Dröhnen eines Jets über sich, dann ein Schiffsnebelhorn.
Sie versuchte, ihre Gedanken zusammenzunehmen,
um herauszufinden, wo sie war, doch es war so dunkel, so beengend, so verdammt
heiß in dem Schlafsack, dass ihr selbst das Atmen schwerfiel.
Denk nach, Olivia. Gib nicht auf. Du hast schon
einmal in der Klemme gesessen, und sobald die Wirkung der Elektroschocks
nachlässt, kannst du deine Hände gebrauchen. Wenigstens sind die Handschellen
vorn. Gib nicht auf. Lass dich von der Angst nicht lähmen. Denk an das Baby, an
Rick. Du darfst nicht aufhören zu kämpfen. Reiß dich zusammen. Es muss einen Ausweg geben!
Der Boden unter der Karre
Weitere Kostenlose Bücher