Milchmond (German Edition)
Sonnenlagen in eisige Platten, auf denen man leicht stürzen und sich böse verletzen konnte. Deshalb war Tobias die letzten Tage des Urlaubs auch nicht mehr auf die Bretter gestiegen.
Sylvia machte es nichts aus. Sie suchte sich Pisten, die nicht der Sonne ausgesetzt waren und lief dort. Mittags trafen sie sich auf der Sonnen-Terrasse des gut aussehenden Kellners zum Mittagsimbiss und dösten dort gemeinsam in der Sonne. Tobias nutzte die Zeit ohne Sylvia zum Lesen. Er hatte es sich versagt, Fachliteratur mitzunehmen. Stattdessen erstand er im örtlichen Buchladen einen spannenden Thriller mit dem Hauptthema Meeresbiologie, der ihn von Anbeginn an fesselte.
Abends tauchten sie einige Male in den Szenetreffs auf, wo sie fast immer die drei Skilehrer Gustl, Toni und Schorsch antrafen. Drei Abende besuchten sie das Spielcasino Seefeld. Sylvia verlor, entgegen ihrer sonstigen Glückssträhnen, während dieses Urlaubs alle Spieleinsätze. Sie war vom Spielbetrieb dennoch fasziniert, weil in der dortigen Spielbank wirklich hohe Einsätze gespielt wurden. Schon das Zusehen versetzte sie in helle Aufregung, fast als wäre es ihr eigenes Geld, das da über den Tisch ging.
Tobias hatte versucht, mit ihr über das künftige Zusammenleben zu sprechen. Vergeblich. Immer gelang es ihr, ihm auf scheinbar spielerisch-heitere Weise auszuweichen. Er machte sich Gedanken und beschloss, das Thema zu vertagen. Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub wollte er eine Entscheidung herbeiführen. So oder so.
Kapitel 3
Sylvia hatte sich das Knie aufgeschlagen. Beim Himmel und Hölle Spiel war sie umgeknickt und gestürzt. Mami war arbeiten. In der Zeit ihrer Abwesenheit passte Sophies Mutter auf sie auf. Sophie war ihre beste Freundin und wohnte im selben Block eine Etage unter ihnen im Erdgeschoss. Sylvia brüllte und Sophie rannte los, um ihre Mutter zu holen.
»Was ist denn passiert Kind?«, fragend tauchte das besorgte Gesicht von Tante Helga vor ihr auf. Mit einem Taschentuch tupfte sie ihr die Tränen vom Gesicht und schloss sie tröstend in die Arme. Das tat gut. Sie mochte Tante Helga, wie sie Sophies Mutter immer nannte, obwohl sie nicht ihre wirkliche Tante war. Nachdem sie sich beruhigt hatte, nahm Tante Helga sie mit ins Haus und wusch ihre blutende Wunde am Knie mit lauwarmem Wasser aus. Zum Schluss kam ein buntes Kinderpflaster darauf.
»Das wird bald wieder gut und tut nur am Anfang noch ein bisschen weh!« Mit einem Klaps auf den Po entließ Tante Helga sie wieder zusammen mit Sophie nach draußen zum Spielen. »Eine halbe Stunde habt ihr noch Zeit, Kinder, dann gibt es Essen. Ich rufe euch dann. Bleibt draußen auf dem Platz, hört ihr?«
Die Kinder nickten und gingen spielen. Sophie war im gleichen Alter wie Sylvia und sie würden im nächsten Jahr auch zusammen in die Schule kommen. Mit Sophie spielte sie am liebsten. Zwar waren da auch noch Annette und Brigitte, die beiden Schwestern aus dem Nebenhaus, aber mit denen machte das Spielen nur Spaß, wenn Sophie nicht dabei war. Sophie war immer sehr eifersüchtig und betrachtete ihre Freundin Sylvia als ihren Besitz. Sie konnte es nicht ertragen, sie mit den anderen zu teilen.
Mami würde auch bald nach Hause kommen. Wann genau stand nicht fest, da sie morgens Probe am Theater hatte. Mami war berühmt und trat abends immer auf, um vor den vielen Zuschauern zu tanzen. Sylvia war schon ein paar Mal mit zur Probe gewesen. Das war toll. Ganz still und mit großen Augen hatte sie zugesehen, wie Mami und die anderen schönen Tänzerinnen nach den Anweisungen der strengen Frau tanzten. Die strenge Frau hatte eine schwarze, dicke Brille auf der Nase getragen und ihre langen Haare immer zu einem Pferdeschwanz gebunden gehabt. Ihre Stimme klang dunkel und herrisch. Sylvia hatte Angst vor ihr.
Die Aufführungen der Ballettgruppe gefielen ihr jedoch sehr. Wenn sie älter wäre, würde sie auch Tänzerin werden, soviel stand fest. Papi wollte davon nichts wissen. Er sagte dann immer so komische Sachen, wie: Das ist doch kein Beruf! Du wirst einmal im Büro arbeiten. Da hast du geregelte Arbeitszeiten und ein festes Einkommen. Sie hatte nie verstanden, was er damit meinte. Mami sagte dazu nichts und sah nur traurig weg.
Später, sie ging schon in die vierte Klasse, war Mami eines Tages nicht mehr zum Tanzen gegangen. Sie sei nun zu alt dafür, hatte sie gesagt. Seitdem war Mami nicht mehr dieselbe. Sie wurde von Tag zu Tag
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