Mondlaeufer
Er grinste und wischte sich die Hände ab. »Vertrau mir.«
»Jetzt hast du die Krümel wieder im ganzen Bett verteilt.«
»Oh, ich bin davon überzeugt, dass es in Stronghold genügend Laken und Diener gibt, um es frisch beziehen zu lassen. Und jetzt komm mal her, und lass mich deine Haare richten, du verrücktes Weib.«
Sie setzte sich mit dem Rücken zu ihm auf das Bett, und er flocht ihr Haar geschickt zu einem einzigen Zopf. »Du hast kaum graue Haare«, bemerkte er dabei.
»Wenn ich welche finde, reiße ich sie ja auch heraus.«
»Wenn ich das täte, wäre ich bald kahl. Gib mir die Nadeln und halt still.« Er drehte den Zopf zu einem weichen Knoten auf und küsste ihren Nacken, bevor er den Knoten mit einfachen, silbernen Haarnadeln feststeckte. »So. Jetzt sieh dich mal an.«
Sie ging zu ihrer Ankleidekommode, sah in den Spiegel und nickte. »Wenn du jemals keine Lust mehr haben solltest, zu regieren, dann nehme ich dich gern als Zofe. Das ist gar nicht so übel. Und was die grauen Haare angeht – deine sind eben einfach silbern statt golden. Ich wusste nicht, dass du so eitel bist.«
Er grinste. »Ich sage so etwas nur, damit meine brave, pflichtbewusste Gattin mir schmeichelt.« Er warf das Betttuch über die Pergamente, streckte und rekelte sich. Dann fuhr er mit den Fingern durch seine Haare, gähnte ausgiebig und streckte sich noch einmal. Nicht nur zur Schau.
»Deine brave, pflichtbewusste Gattin muss dich dringend daran erinnern, dass wir heute Morgen zu tun haben«, meinte Sioned.
»Wirklich?« Über die Schulter warf er einen Blick auf die Bettdecke. »Ach ja, da waren ein paar Berichte, aber sie sind anscheinend verschwunden.«
Sie kicherte. »Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du unmöglich bist?«
»Aber ja. Du. Andauernd.« Er ging zu ihr und öffnete den Gürtel ihres Morgenmantels. »Zieh dich an. Unser Jungdrache wird bald hier sein.«
Doch der Trupp aus Radzyn hatte Verspätung. Rohan und Sioned warteten in der Empfangshalle, und Sioned lief immer wieder auf und ab, wobei die Hacken ihrer Stiefel auf den blauen und grünen Bodenfliesen klapperten. Rohan machte es sich in einer Fensternische bequem und sah ihr zu. Ihre Ungeduld war wirklich sehr unterhaltsam. Auch er wartete ungeduldig auf seinen Sohn, doch je aufgeregter sie wurde, desto besser konnte er sich seltsamerweise entspannen.
Schließlich brachte ein Diener die Nachricht, dass man den Trupp des jungen Herrn vom Turm der ewigen Flamme aus gesehen habe. Sioned warf Rohan einen schuldbewussten Blick zu, sodass er nicht mehr fragen brauchte, wer denn dort oben einen Ausguck postiert hatte. Sie strich ihr Haar und ihre Kleider glatt, atmete tief durch und schritt dann durch die großen, geschnitzten Türen, die für den Hoheprinzen und die Höchste Prinzessin aufgehalten wurden. Rohan betrachtete seine Frau wohlgefällig. So schön sie auch war in ihren prächtigen Kleidern mit seinen Smaragden, am besten standen ihr doch Reitkleider, denn die betonten ihre schlanke Figur und die langen Beine. Reitkleider oder gar nichts außer der Flut ihres offenen Haares, fügte er in Gedanken hinzu.
Sie standen nebeneinander auf der obersten Stufe des Portals. Sioned war aufs Äußerste angespannt. Rohan bemerkte die Aufregung unter den Bediensteten, die unten im Hof zusammengelaufen waren. Die Pferdeknechte stritten darum, wer die Ehre haben dürfte, Pols Zügel zu halten, wenn er abstieg; die Köche diskutierten, wer sich seine Leibspeisen richtig gemerkt hatte. Rohan hatte eigentlich angenommen, dass sie diesen Streit schon vor einigen Tagen beigelegt hätten. Die Wache von Stronghold trat unter dem Kommando von Maeta an, wobei noch letzte Staubkörnchen von blitzsauberen blauen Tunikas und glänzenden Harnischen gewischt wurden. Und das alles für einen Jungen, staunte Rohan und vergaß dabei völlig, dass man ihm bei seiner Heimkehr von seinem Ziehvater in Remagev den gleichen Empfang bereitet hatte. Aus dem Wachhaus hörte er die laute Frage, wer in Stronghold Einlass verlange. Die Antwort hörte er nicht, doch er wusste, was Chay sagte: »Seine Hoheit, Prinz Pol, Erbe der Wüste und der Prinzenmark!« Stolz stieg in Rohan auf. Er würde seinem Sohn den halben Kontinent übergeben: vom Meer der Morgenröte bis zum Großen Veresch. Er würde ihm auch Gesetze hinterlassen, mit denen man dieses Land in Frieden regieren konnte, die Macht, diese Gesetze durchzusetzen, und die Faradhi -Fähigkeit, die für seine
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