Monrepos oder die Kaelte der Macht
Verteidigungsminister war er zuvor gewesen, sein Geld hatte er als Präsident von Coca Cola gemacht, und Jimmy Carter kannte er schon, als der noch Gouverneur und Erdnußfarmer in Georgia gewesen war.
Duncan, sagte Tom Wiener, läßt sich prima verkaufen.
Es gehörte zu Oskar Spechts Stärken, niemals zufrieden zu sein. Energiesparen gut und schön – aber war das die einzige Botschaft, die er von seinem ersten offiziellen USA-Trip als Regierungschef eines der wichtigsten deutschen Bundesländer mit nach Hause nehmen sollte? Der deutsche Zeitungsleser und Fernsehkonsument verband vor allem Außen- und Sicherheitspolitisches mit Amerika – das im Juni mit der Sowjetunion abgeschlossene Abkommen über die Begrenzung strategischer Waffen zum Beispiel, oder den in Camp David zustande gekommenen ägyptisch-israelischen Friedensvertrag. Das waren die Themen, die den Globus bewegten!
Von Bonn ließ sich insoweit keine Unterstützung erhoffen. Genscher und das Auswärtige Amt wachten eifersüchtig über ihre Domäne, die Außenpolitik. Sie hatten, das mußte man zugeben, das Grundgesetz auf ihrer Seite; die Pflege auswärtiger Beziehungen ging die Bundesländer rein gar nichts an.
Die Länder vielleicht nicht, Oskar Specht dafür um so mehr. Er brauchte einen Termin im Weißen Haus, auf Biegen und Brechen. Am besten mit Hamilton Jordan, dem Stabschef und engsten Carter-Vertrauten. Jordan erwies sich als unzugänglich. Die Georgia-Gang, deren Kopf er war, hatte mit Europa nicht viel am Hut. Man mußte es über das europäisch gebildete Ostküsten-Establishment versuchen.
Von seinen früheren geschäftlichen Zeiten her kannte Specht Gerald Silverman, dessen Vater in der jüdischen Weltorganisation eine bedeutende Rolle spielte. Silverman war Professor für Europäische Studien an der Harvard Universität. Er saß im Board verschiedener amerikanisch-deutscher Vereinigungen und war befreundet mit Gott und der Welt – auch mit Michael Blumenthal, dem Finanzminister, und mit Zbigniew Brzezinski, Carters Berater für nationale Sicherheit. Blumenthal war im Zuge einer Kabinettsumbildung gerade geschaßt worden, weil er Hamilton Jordan zu oft in die Quere gekommen war. Brzezinski dagegen hatte sich halten können.
Silverman wurde aktiviert, ein Besuch in Harvard vereinbart. Das tat Spechts Renommee in heimischen Wissenschaftskreisen gut, Silverman konnte seinen Studenten aktuelle Informationen über Deutschland und die CDU bieten, und der Weg zu Brzezinski ebnete sich. Silverman seinerseits hatte auch ein Anliegen: Er war Mitglied des Board of Directors für das Leo-Baeck-Institut in New York, das in der Bundesrepublik eine Hochschule für jüdische Wissenschaften unterhielt. Die Hochschule hatte Zuschußbedarf, ein Antrag an die Kultusministerkonferenz der Länder war gestellt, aber noch nicht beschieden.
Specht baute einen Besuch des Leo-Baeck-Instituts ins Reiseprogramm ein und gab Anweisung, sich um die Finanzierung zu kümmern. Es klappte. Und wenn er denn schon in New York war, wollte er auch mit Bürgermeister Koch reden, an der Steuben-Parade Ende September als Ehrengast teilnehmen und einen Abstecher ans Massachusetts Institute of Technology in Boston machen.
Zu guter Letzt war doch noch ein Paket geschnürt, das wenig Wünsche offen ließ. Oskar Specht konnte den Journalisten, die er zu mitternächtlicher Stunde im Hotel zum ›Briefing‹ um sich zu versammeln pflegte, die Einschätzung der amerikanischen Regierung zu den wichtigsten innen- und außenpolitischen Problemen (das waren die, welche er mit seinen Gesprächspartnern erörtert hatte) authentisch übermitteln. Im verschlüsselten Bericht der Botschaft ans Auswärtige Amt wurde der Aufenthalt des Ministerpräsidenten als ›sehr erfolgreich‹ bewertet und die überdurchschnittliche Beachtung hervorgehoben, die er in amerikanischen Regierungskreisen gefunden habe.
Nur während der Steuben-Parade gab es eine kleine Panne. Der Englischlehrer, den Specht einige Wochen vor der Reise engagiert hatte, ein germanophiler Schotte namens Gordon Croy, mißverstand seine Rolle vollständig und winkte, von der begeisternden Atmosphäre fortgerissen, den vorbeimarschierenden Deutsch-Amerikanern so heftig zu, daß diese ihn für den Ehrengast hielten und freundlichst zurückgrüßten.
Nach dem Heimflug war er seinen Job los.
Bernhard Gundelach hatte Spechts Reden geschrieben, staatsmännische Ausblicke auf Deutschland und Europa in den achtziger Jahren. Aus
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