Mord auf Bali: Ein Urlaubs-Krimi (German Edition)
würde er mal etwas anderes sehen als Sanur, das Hotel und den meist gähnend leeren Strandabschnitt. Das Grand Hotel Bali Beach beherbergte als eines der wenigen Hotels überhaupt noch Touristen. Viele andere Hotels oder Appartementanlagen waren nahezu leer. Die Nachwirkungen der Bombe von Kuta waren unverkennbar. Besonders die Australier ließen sich davon abschrecken. Früher war Bali für die Australier, was Mallorca für die Deutschen gewesen ist: Ballermann, Party, Feiern, Ramba-Zamba Tag und Nacht. Das war weitgehend vorbei. Jetzt gab es nur noch in Kuta, in der Straße Jalan Legian, ein ausschweifendes Nachtleben. Und im Moment sah es auch nicht danach aus, als ob die früheren Party-Zeiten jemals wiederkämen.
2.
Der Kleinbus stand bereit, und die Guccis warteten auch schon. Als Frau von Talheim Rauscher erblickte, stieg ihr eine leichte Röte ins Gesicht. Rauscher begrüßte die beiden Damen ausgesprochen höflich:
„Wunderschönen guten Morgen, die Damen.“ Er zwinkerte Frau von Talheim zu.
„Wir haben ja heute Nacht schon das Vergnügen gehabt und unerwartet Bekanntschaft geschlossen.“
„Guten Morgen, Herr Rauscher“, erwiderte sie charmant, „fahren Sie etwa auch mit? Darf ich vorstellen: Herr Rauscher. Frau Herbst.“ Sie begrüßten sich mit einem Kopfnicken. Zwei weitere Personen waren ebenfalls anwesend. Ein Pärchen, Deutsche, noch jung, um die fünfundzwanzig. Der Fahrer deutete mit einem Fingerzeig an, dass sie einsteigen sollten. Der junge Deutsche fotografierte noch schnell seine Freundin vor dem Bus. Der Reiseleiter setzte sich neben den Fahrer und stellte sich als Wayan vor. Die ersten zehn Minuten erzählte er ein wenig darüber, was der Tag bringen würde. Zum Beispiel einen Besuch bei einem Silberschmied, den Barong-Tanz, das Tempelfest in Kehen, Besichtigung des Vulkans, des Sees, dann Mittagessen und die Rückfahrt mit einigen Stopps.
In der ersten Reihe, hinter dem Fahrer, saß das junge Pärchen, dann kamen die Guccis, und in der letzten Reihe hatte Rauscher Platz genommen. Von dort aus konnte er perfekt die Ladys beobachten und hören, was gesprochen wurde. Die Klimaanlage, die auf die hinteren Sitzbänke kalte Luft verströmte, lief auf Hochtouren.
Die erste Station hieß Batubulan. Ein Dorf, das der Bus nach ungefähr einer halben Stunde erreichte. Um acht Uhr waren es bereits dreißig Grad. Die Schwüle war kaum auszuhalten. Die Gruppe betrat eine Werkstatt, in der ein Silberschmied seine Kunst vorführte. Er warnte sie davor, am Strand bei den fliegenden Händlern Schmuck zu kaufen, denn die meisten verkauften nur billige Imitate und kein echtes Silber. Wieder machte der junge Deutsche ein Foto von seiner Freundin, während sie neben dem Silberschmied stand. Anschließend besuchte die Gruppe noch den Verkaufsraum. Die Gucci-Ladys waren hellauf begeistert und zeigten fröhlich ihre neu erworbenen Stücke: mehrere Ringe, ein Amulett, eine Brosche, eine Kette und ein undefinierbares Etwas aus Silber, das man wohl an die Wand hängen konnte.
Shoppen, dachte Rauscher, ist die Ersatzbefriedigung der Frau von heute.
Unterdessen hatten es sich der Fahrer und der Reiseleiter im Bus gemütlich gemacht und eine oder zwei Maisblatt-Zigaretten geraucht. Man roch den süßen Duft nach Nelken und anderen Gewürzen. Als sie wieder im Bus saßen, war Rauscher innerhalb von dreißig Sekunden schockgefrostet. Er plädierte dafür, die Klimaanlage auszuschalten. Einspruch kam von Frau Herbst, so dass die Mehrheit entschied, die Temperatur um ein paar lächerliche Grad zu erhöhen. Diesmal schoss der junge Mann ein Foto von seiner Freundin, als sie im Bus saß. Nach fünf Minuten Fahrt stieg die Gruppe wieder aus, um sich den Barong-Tanz anzuschauen.
In einem überdachten Freilufttheater, das nach allen Seiten offen war, lag eine kleine Bühne und rechts daneben standen die Instrumente des Gamelan-Orchesters. Für westliche Augen und Ohren ungewohnte Instrumente, die aussahen wie eine Mischung aus Trommeln, Pauken, Becken, Gong und Xylophon. Die Gruppe nahm auf einer Tribüne mit Holzbänken Platz. Dort lagen Begleittexte, die den Touristen in verschiedenen Sprachen den religiösen Hintergrund und Inhalt des Tanzes schilderten.
Was Rauscher faszinierte, waren die beiden Legong-Tänzerinnen, die den Tanz einläuteten. Ganz in goldene Gewänder gehüllt und mit goldener Blumenkrone im Haar zeigten die Tänzerinnen ruckartige, aber dennoch geschmeidige Bewegungen und ließen ihre Augen
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