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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
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schon kennen. Eigentlich ganz lustig, dass man sie nicht vollkommen ignorierte, aber ich vermute, das lag einfach daran, dass es ihr sowieso nichts ausgemacht hätte. Sie war so vollkommen von ihrer eigenen Überlegenheit überzeugt, dass der Spott der anderen einfach an ihr abgeprallt wäre. Deswegen wählten sie die zweitbeste Methode. Das Akzeptieren und vorsichtige Bewundern.
    Dieses Mal hatte sie zum Soufflé eingeladen. Ich hatte ihr beim Zubereiten zugeschaut. Es faszinierte mich, dass es so luftig werden würde. Ich war neugierig, wie es wohl schmecken und wie die Gäste reagieren würden. Sie hatte davon erzählt, versteht ihr. Beschrieben, wie es im Ofen aufgehen und eine goldbraune Farbe annehmen würde. Sie hatte den Geschmack als knackig, knusprig, cremig und mild beschrieben … Heute würde ich sagen, dass das eine ungeheuer sinnliche Beschreibung eines Gerichts ist, aber damals wusste ich nur, dass ich es unbedingt probieren wollte … Ich durfte nie dabei sein, wenn meine Eltern Gäste hatten, und darum zu bitten hatte ich mir schon sehr früh abgewöhnt, aber dieses Mal konnte ich mich einfach nicht zurückhalten. Ich half ihr, so viel ich nur konnte, ich half beim Tischdecken und beim Spülen, natürlich im Rahmen der Möglichkeiten eines Sechsjährigen. Dann fragte ich, ob ich mit bei Tisch sitzen dürfe. Sie sah mich an. Dann sagte sie: ›Ja, du darfst dabei sein, Fredrik. Du bekommst eine ganz besondere Aufgabe, über die sich Mama ganz arg freut. Du darfst die Luft sein.‹
    Ich verstand erst nicht, was sie meinte. Aber als die Gäste gekommen waren und im Wohnzimmer Platz genommen hatten, schloss sie die Tür von außen und wies mich an, draußen sitzen zu bleiben und Luft zu sein. ›Luft ist lebenswichtig,
verstehst du. Wir würden da drinnen gar nicht atmen können, ohne extra Luft, jetzt wo wir sie mit so vielen Leuten teilen müssen.‹«
    Fredrik trank einen Schluck Kaffee. Die Hand, mit der er die Tasse hielt, zitterte so sehr, dass er überschwappte. Die Hitze der Flüssigkeit schien ihm nichts auszumachen und ausnahmsweise auch nicht der Fleck auf seinem Ärmel.
    »Ich saß zwei Stunden lang in der Diele und war Luft. Schlimmer war jedoch, dass ich es mit Freude tat. Ab und zu kam Mama in die Diele, machte die Tür hinter sich zu und sagte: ›Bravo, Fredrik.‹ Dann sah sie mich durchdringend an und flüsterte: ›Jetzt musst du dich konzentrieren, denn jetzt will Mama singen. Dann braucht sie besonders viel Luft, das weißt du doch.‹ Kurz darauf setzte sie sich an den Flügel und begann sich selbst zu begleiten.
    Ich blies mich auf und versuchte dann, die Luft anzuhalten, um keine Luft zu verschwenden. Da kam mein Vater nach Hause. ›Was machst du denn da?‹, wollte er wissen. ›Ich bin Luft, damit Mama und ihre Gäste da drinnen atmen können‹, antwortete ich. Da begann Papa schallend zu lachen. Mein Vater lachte nur selten, aber da lachte er. Er lachte so sehr, dass Mama zu singen aufhörte und in die Diele trat. Sie verabscheute es, beim Musizieren gestört zu werden, aber als sie sein Gesicht sah, wurde sie nachsichtig. ›Luft‹, schnaubte Papa. ›Er war Luft, höre ich. Du bist wirklich eine kleine Gaunerin, Michelle.‹ Dann ging er auf sie zu und küsste sie vor allen Gästen, die auf dem Sofa saßen. Und als er sie geküsst hatte, rief er Richtung Wohnzimmer: ›Jetzt habt ihr wieder was zum Rumerzählen.‹ Ich bekam hauptsächlich deswegen Angst, weil ich wusste, dass Mama Umarmungen nicht mochte. Aber als er sie losließ und sie sich umdrehte, hatte es den Anschein, als sei gar nichts passiert. Aber das Schlimmste … das Schlimmste war, dass Mama anschließend ins Wohnzimmer ging und in größter Ausführlichkeit alles erzählte. Sie
machte eine Theatervorstellung daraus und spielte sowohl sich als auch mich. Alle lachten sich schlapp. Alle diese Frauen, die es nicht wagten, meine Mutter zu verspotten, konnten jetzt ihre Frustration an mir auslassen. Mir wurde klar, dass man mich betrogen hatte, aber wie sehr, erkannte ich erst Jahre später. Seltsam eigentlich, aber so ist es vermutlich. Demütigungen sind dann am schmerzhaftesten, wenn wir nicht richtig verstehen, was eigentlich vorgeht. Als würde das Gehirn das Böse irgendwo lagern, bis wir reif genug sind, es zu begreifen. Diese Verzögerung ist schlimmer als eine unmittelbare Demütigung. Als könnte sich das Gift über einen längeren Zeitraum besser ausbreiten.«
    Mari hatte das Gefühl, dass Fredrik

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